von Jörg Reiners
“Alles neu macht der Mai”, so heißt es in einem Sprichwort. Vielleicht macht aber jetzt der September alles neu für DIE LINKE! Denn in wenigen Tagen verschickt die Bundesgeschäftsstelle Briefe an alle Mitglieder der Partei. Ein letztes Mal erhalten die Gegnerinnen und Gegner des linken, emanzipatorischen Grundeinkommens Gelegenheit, ihre Argumente vorzutragen. Auch die Befürworterinnen und Befürworter tragen ihre Sichtweise vor. Obwohl nicht dazu verpflichtet, begleitet der Parteivorstand die Urabstimmung mit einem eigenen Kommentar.
Obwohl hier in Rücksichtnahme auf den anstehenden basisdemokratischen Entscheid eher Neutralität geboten wäre, rät der Parteivorstand -jedoch nicht einstimmig!- dazu, alles beim Alten zu belassen. Offenbar hat er vergessen, was überhaupt erst zu diesem Mitgliederentscheid geführt hat: die seit Jahren anhaltende Lethargie der Partei und ihre Unfähigkeit, offene Fragen zu beantworten!
Was die Parteivorstände in der Vergangenheit und heute nicht vermocht haben, können nun die Genossinnen und Genossen erledigen: die Hand erheben, den Zeigefinger ausstrecken und der Partei die Richtung vorgeben! Ein Novum - nicht nur in der Partei DIE LINKE, sondern generell. Bleibt zu hoffen, dass die Parteimitglieder diese Chance erkennen und auch nutzen.
Natürlich werden einige Parteimitglieder überfordert sein, eine solch richtungsweisende Entscheidung voller Überzeugung zu treffen. Denn beide Seiten haben ja durchaus überzeugende Argumente. Auch wird es Genossinnen und Genossen geben, für die das Thema Grundeinkommen in der Tat Neuland ist. Aber auch diese Genossinnen und Genossen haben Gelegenheit, sich noch bequem auf den letzten Metern zu informieren: die BAG Grundeinkommen bietet ihr BGE-Konzept zum Hören an: https://linktr.ee/dielinke.baggrundeinkommen
Die Gegnerinnen und Gegner einer Verankerung eines sozialen, emanzipatorischen, somit linken Grundeinkommens ins Programm raten all diesen Unentschlossenen dazu, mit Nein! zu stimmen. Nur so könne man die Frage unbeantwortet und den Diskurs in Sachen Grundeinkommen offen lassen. Aber das ist eine Falle! Nicht von ungefähr gibt es ja die Möglichkeit, sich zu enthalten. Nein heißt nein, und nichts anderes!
Solange DIE LINKE ihre Baustellen nicht angeht und offene Fragen beantwortet und innerparteiliche Diskrepanzen proaktiv verarbeitet, so lange wird DIE LINKE um die 5-%-Hürde herum weiter zittern.
Es liegt nun einzig und allein an den Mitgliedern der Partei DIE LINKE, ob es den überfälligen Aufbruch geben wird oder nicht! Dabei ist eine klare Kante allemal besser als ein Weiter so.
Zum Autor: Jörg Reiners ist Bundeskoordinator der BAG Grundeinkommen und Mitherausgeber der Textsammlung “Digitalisierung? Grundeinkommen!” (Mandelbaum-Verlag). Er war mehrere Jahre Netzwerkrat des Netzwerkes Grundeinkommen.