Die Rote Ruhrarmee
von Otto Hennicke, bereitgestellt von Reinhold Schramm
Die Ursachen für die Niederlage des Ruhrproletariats
Der Versuch des Ruhrproletariats, bei seinem bewaffneten Kampf gegen die Reaktion über die Niederschlagung des Kapp-Putsches hinauszugehen und die militärischen Kräfte völlig zu vernichten, hatte mit einer Niederlage der Arbeiter geendet.
Die Ursache ist in dem Verrat der rechtssozialdemokratischen Führer - ganz gleich, ob sie in der SPD oder in der USPD wirkten - zu suchen. Den rechten USPD-Führern als den Vertretern der im Ruhrgebiet einflussreichsten Arbeiterpartei fällt für die Hinmetzelung des Ruhrproletariats die Hauptverantwortung zu.
Die Sozialimperialisten konnten die Aufträge der Bourgeoisie deshalb erfüllen, weil in dieser Situation das Proletariat noch keine genügend feste Führung besass. Die junge KPD war organisatorisch noch zu schwach, um sich überall durchzusetzen, sie war noch keine Massenpartei geworden.
Die Rechtssozialisten bedienten sich vornehmlich zweier Maßnahmen, die zur Niederschlagung des Ruhraufstandes führten:
1. Sie isolierten den Aufstand von den übrigen Aktionen in Deutschland. Zu diesem Zwecke brachen sie im Reich den Generalstreik frühzeitig ab und verhinderten mit Hilfe der Gewerkschaftsführung die Wiederaufnahme. Das entgegengesetzte Streben der Kommunisten untergruben sie durch eine Nachrichtensperre, die die deutschen Arbeiter besänftigen sollte und über das Ausmaß und den Charakter der Bewegung an der Ruhr im unklaren ließ. Der damalige Pressechef der Regierung, Robert Breuer, berichtet darüber: "Um alle militärischen Kräfte gegen die Ruhr zu konzentrieren, schilderte ich bei den Pressebesprechungen die Lage im Ruhrgebiet als durchaus befriedigend: nur kleine Unruhen, die nichts zu bedeuten haben. So wurden die Berliner Arbeiter getäuscht und beruhigt, und so gelang es Severing und Watter, soviel Truppen gegen das Ruhrgebiet zu konzentrieren, dass die Bewegung erstickt werden konnte."(127)
2. Mit der Spaltung der Einheitsfront der Arbeiter des Industriegebiets durch das Bielefelder Abkommen schufen sie die Voraussetzung für ein erfolgreiches Eingreifen der weißen Garden. Durch ihr künstliches Aufputschen der revolutionären Arbeiter mit verbrecherischen Losungen (Sabotage! Lieber die Entente, als die Reichswehr!) Trieben sie einen Teil der Arbeiter in die Arme von verantwortungslosen Abenteurern und bezahlten Provokateuren und lieferten damit der Reichswehr einen Vorwand für den Einmarsch.
Innerhalb der Auswirkungen des Verrats der rechten Führer der SPD und USPD wirkten außerdem einige Faktoren, die Form und Charakter der Niederlage beeinflussten. Das waren:
1. Da der bewaffnete Kampf aus der Abwehr eines überraschenden konterrevolutionären Angriffs auf die Rechte der Arbeiter spontan entstand, konnte er sich nicht auf eine vorbereitete militärische Organisation stützen.
2. Diese Spontanität, verbunden mit der organisatorischen Schwäche der KPD und der Demagogie der rechten USPD-Führer, führte dazu, dass der Aktion eine überall anerkannte, einheitliche revolutionäre politische und militärische Leitung fehlte. Der kommunistisch orientierte Zentralrat entstand zu spät, um diesen Mangel völlig wettmachen zu können.
3. Der Mangel an einer einheitlichen straffen militärischen Leitung führte lokal zu taktischen Fehloperationen der Roten Armee.
Dazu gehört - neben dem verspäteten Angriff auf Wesel - zum Beispiel, dass ein Unterführer, der lediglich den Auftrag hatte, die Eisenbahnverbindung zwischen Wesel und Münster zu stören, nach dessen Erfüllung selbständig gegen Wesel vorging. Er "wurde dort blutig zurückgeschlagen und erreichte durch sein Vorgehen eine gefährliche Zerreißung im Zentrum der Arbeiterfront und eine ungeheure Hebung der Stimmung der Truppen in Wesel, die hier ihren ersten Erfolg gegen Arbeitertruppen buchen konnten".(128)
4. In einigen Fällen weigerten sich die militärischen Führer, die allgemeinen Weisungen der politischen Leitung anzuerkennen. Dadurch untergruben sie das unbedingt notwendige Vertrauen der Arbeiter in die politische Zentrale und stifteten so Verwirrung.
5. Die Kampfkraft der Roten Armee wurde bald durch einen starken Mangel an Lebensmitteln, Ausrüstung, Waffen und Munition beeinträchtigt.
Einige Lehren aus dem Kampf der Roten Ruhrarmee
Der bewaffnete Kampf im rheinisch-westfälischen Industriegebiet war der Höhepunkt der Aktion der deutschen Arbeiterschaft gegen den Kapp-Putsch und hatte entscheidenden Anteil an der Verhinderung der Errichtung der offenen, terroristischen Militärdiktatur der reaktionärsten Teile der herrschenden Klassen Deutschlands.
Die Ereignisse bewiesen, von welch großer Wichtigkeit die Einheit der Arbeiterklasse für den Erfolg ihres Kampfes ist. Durch die Erfahrung seit der Novemberrevolution gewitzt, gingen die Arbeiter gegen den Kapp-Putsch in beispielloser Geschlossenheit vor. Der Generalstreik erfasste alle politischen Arbeiterparteien und Gewerkschaften als auch alle deutschen Provinzen. Der Drang nach einer einheitlichen Abwehrreaktion war so groß, dass sogar die rechten sozialdemokratischen Führer sich ihm nicht verschließen konnten, wollten sie nicht die Sympathie ihrer Anhänger verlieren. Die Anziehungskraft des einheitlich handelnden Industrieproletariats war so stark, dass sich große Teile des Landproletariats, des Kleinbürgertums und der Angestellten ihm anschlossen. So einheitlich, wie das Proletariat in den Generalstreik getreten war, forderte und organisierte es auch seine Bewaffnung. Dieser Macht waren die Hintermänner und Akteure des Staatsstreiches nicht gewachsen. Nach vier Tagen mussten sie die Segel streichen. Die Einheit der Arbeiterklasse hatte einen Sieg errungen. Das einheitliche Handeln ermöglichte, die konterrevolutionären Truppen zu besiegen und aus dem Ruhrgebiet zu verjagen.
Aber diese Einheit war noch nicht fest und dauerhaft genug gefügt. Nicht alle Arbeiter hatten den Verrat der rechten Führer der SPD und USPD durchschaut. So kam es, dass sich viele Arbeiter auf Geheiß dieser Verräter dazu bewegen ließen, den Kampf abzubrechen, als die Putschisten zurücktraten und die alte Regierung die Macht wieder übernahm. Sie begriffen nicht, dass mit der Wiederherstellung der alten Zustände auch die Möglichkeit zu neuen Militärputschen wiederkehrte. So lösten sich viele Arbeiter von ihren Klassengenossen, die die Militaristen entscheidend schlagen wollten, und die Einheitsfront zerbröckelte. Die Reaktion wartete nur auf diesen Moment und ließ das gesamte Proletariat mit eben der Militärmacht niederschlagen, die die einheitlich handelnden Arbeiter vorher an den Rand des Abgrunds getrieben hatten. Der Zerfall der Aktionseinheit der Ruhrarbeiter war die Ursache ihrer Niederlage.
Als sich am ersten Ostertag 1955 Hunderte von Werktätigen des Ruhrgebietes in Pelkum an den Massengräbern der im März/April 1920 ermordeten Arbeiter versammelten, um am 35. Jahrestag ihres heldenhaften Kampfes zu gedenken, erklärte Max Schäfer, Mitglied des Parteivorstandes der KPD und Chefredakteur des Zentralorgans "Freies Volk": "Wenn wir derjenigen gedenken, die vor 35 Jahren ihr Leben im Kampf um die Rechte der Arbeiterklasse und des Volkes opferten, so ist das vor allem für uns die Mahnung, einig zu handeln. In der Einigkeit der Arbeiterklasse liegt ihre Stärke. Die Zersplitterung dagegen führt immer zur Niederlage. Weil sich die Arbeiter in der Deutschen Demokratischen Republik 1945 einigten, darum konnten sie die Macht der Monopolherren, der Junker und Militaristen für immer brechen. Darum konnten sie das Land der Junker den Bauern geben, die Betriebe in ihre eigenen Hände nehmen und einen Staat errichten, der der Staat der Arbeiter und Bauern ist." (129)
Die Kommunistische Partei Deutschlands war im Frühjahr 1920 in Deutschland und auch im Ruhrgebiet die einzige Kraft, die das Proletariat hätte zum Siege führen können. Nur sie war durch ihre genaue Kenntnis der Gesetze der gesellschaftlichen Entwicklung durch die schöpferische Ausnutzung der Kampferfahrungen des internationalen Proletariats dazu befähigt. Aber die KPD war damals noch jung, bestand sie doch erst wenig mehr als ein Jahr. Sie hatte sich noch nicht zu einer revolutionären Massenpartei entwickelt. Es war ihr noch nicht gelungen, die verräterische Politik der rechten Führer der SPD und USPD zu entlarven und die Massen von ihnen zu trennen. Erst die Erfahrungen, die die Arbeiter im Laufe der zwanziger Jahre im Kampf gegen die Reaktion sammelten, waren ausschlaggebend für ihre Haltung zu den rechten Führern der SPD und USPD.
Dies bewiesen die Wahlen im Juni 1920, als sich die KPD erstmalig an den Wahlen für den Reichstag beteiligte. Sie erhielt rund 600.000 Stimmen im Reich. Im Dezember stieß unter Führung Ernst Thälmanns der linke Flügel der USPD zu ihr, und im Februar 1921 erhielt sie bei den preußischen Landtagswahlen rund doppelt so viel Stimmen allein in Preußen wie acht Monate zuvor im ganzen Reich, nämlich 1,2 Millionen.
Es war deshalb eines der wichtigsten Ereignisse der bewaffneten Aktion der deutschen Arbeiter gegen den Kapp-Putsch, dass die Massen das verräterische Spiel der rechten USPD-Führer durchschauten, sich von ihnen lösten und einen "Ruck nach links" machten. Lenin schreibt: "Die wahre Natur der jetzigen Führer der ,Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands' ... hat sich während der deutschen Kornilowiade, d. h. während des Putsches der Kapp und Lüttwitz, aber und abermals offenbart ... Diese Herrschaften sind absolut außerstande, wie Revolutionäre zu denken und zu urteilen. Das sind weinerliche, spießbürgerliche Demokraten, die dem Proletariat noch tausendmal gefährlicher sind, falls sie sich für Anhänger der Sowjetmacht und der Diktatur des Proletariats erklären, denn in Wirklichkeit werden sie in jedem schweren und gefährlichen Augenblick unvermeidlich Verrat begehen."(130)
Unter dem Eindruck des Verrats der rechten USPD-Führer entschlossen sich die revolutionären Mitglieder der USPD zur organisatorischen Trennung von den Opportunisten. "Die Erfahrungen, die die Arbeiter in allen diesen Kämpfen machten, in denen sie wohl geschlagen, aber doch nicht niedergerungen werden konnten, riefen immer stärker die Erkenntnis der Notwendigkeit zur Schaffung einer breiten revolutionären Massenpartei hervor, die zunächst durch die Vereinigung des fortschrittlichen Teils der USPD mit der KPD Ende 1920 herbeigeführt wurde."(131)
Wie kein zweites Beispiel beweist gerade die Abwehr des Kapp-Putsches im Ruhrgebiet und in Mitteldeutschland, dass die Volksmassen die bestimmende Kraft der geschichtlichen Entwicklung sind. Mit gewaltiger Kraft fegten sie in wenigen Tagen den reaktionären Spuk der Kapp-Lüttwitz, die das Rad der Geschichte zurückdrehen wollten, hinweg. Dabei legten sie hervorragende schöpferische und organisatorische Fähigkeiten an den Tag.
Bei der Befreiung des Ruhrgebietes von den weißen Truppen vollbrachten die Soldaten der Roten Armee, ohne über ausgebildete Offiziere oder überhaupt eine einheitliche , entschlossene Leitung zu verfügen, militärstrategische Leistungen, denen selbst bürgerliche Militärspezialisten ihre Anerkennung nicht versagen konnten.
In der ersten Periode des Kampfes, bis zum 24. März, als sich der Verrat der rechtssozialistischen Führer noch nicht voll auswirkte, brachten die Arbeitersoldaten viele Elemente der von Marx formulierten und von Lenin weiterentwickelten Regeln der Kunst des Aufstandes neu hervor und zur Anwendung. Sie konzentrierten ihre Kräfte an den entscheidenden Punkten, um sich ein Übergewicht über den besser ausgebildeten und organisierten Feind zu verschaffen; sie ergriffen die Offensive und handelten mit größter Entschlossenheit; sie überraschten den Gegner in dem Augenblick, wo seine Truppen verstreut waren; sie verstanden es, sich durch ständige Erfolge das moralische Übergewicht zu erhalten, und an Kühnheit hat es ihnen wahrlich nicht gefehlt. Dieses Wissen um die Kunst des Aufstandes ist die Ursache des Protestes der Arbeiter gegen das Bielefelder Abkommen, das sie daran hinderte, bis zu Ende zu gehen, und sie in die Defensive zwang, die das Ende jedes bewaffneten Aufstandes ist.
[Hier: (...) Auslassung. - R.S. / Siehe Quelle, S. 98/99.]
Ein Auszug.
Anmerkungen
127) Zehn Jahre Sozialdemokratie. Was die SPD von sich selber sagt, Berlin 1924, S. 68.
128) Vom Bürgerkrieg, a. a. O., S. 98/99.
129) "Neues Deutschland", Nr. 86 vom 14.4.1955, S. 2.
130) Lenin, a. a. O., Bd. II, S. 751/752.
131) Wilhelm Pieck, Reden und Aufsätze, Bd. I, Berlin 1952, S. 384.
A N H A N G
Dokumente und Berichte
Flugblatt der KPD Rheinland-Westfalen vom 13. März 1920:
>Arbeiter! Genossen!
Die Ebert-Noske-Regierung ist gestürzt. Die Bourgeoisie, auf deren Macht sich diese Regierung stützte, hat ihre Handlanger zum Teufel gejagt. Die Militärkamarilla, die uns in den Krieg gestürzt, die den Krieg schmählich verloren hat, hat die Herrschaft übernommen.
Arbeiter! Genossen! Jetzt gilt es zu handeln, wenn das Proletariat nicht noch tiefer in Not und Knechtschaft verfallen soll.
Jetzt gilt es, die Macht zu übernehmen.
Was ist zu tun?
Die sozialistischen Parteien sitzen zusammen und beraten wie am 9. November.
Die Arbeiter stehen auf den Straßen und wissen nicht, was sie tun sollen, wie am 9. November 1918.
Arbeiter! Genossen! Lernt daraus!
Mit unserer Demonstration ist es nicht getan!
Lasst die Parteien beraten, ihr aber müsst handeln! Organisiert eure Macht!
Wählt sofort in jedem Betrieb, in jeder Werkstatt euren Arbeiterrat. Wählt die Besten und Tüchtigsten. Wählt nur Arbeiter, die auf dem Boden der Diktatur des Proletariats stehen.
Die Arbeiterräte treten zur Vollversammlung zusammen, die dann die gesamte Macht übernehmen muss.
Alle Macht den Arbeiterräten!
Arbeiter! Genossen! Die Demokratie der Mehrheitssozialisten hat euch in dieses Elend gestürzt, nur die Diktatur des Proletariats kann euch retten.
Euer Arbeiterrat hat zuerst die Bewaffnung des Proletariats, die Entwaffnung der Bourgeoisie auszuführen.
Fordert Freilassung aller politischen Gefangenen.
Arbeiter! Genossen! Wir kämpfen nicht für die Regierung Ebert-Noske. Unsere Parole heißt: Gegen die Reaktion, gegen die Verräter am Sozialismus, die Handlanger der Bourgeoisie, für die Diktatur des Proletariats.
Arbeiter! Genossen! Auf zur Tat!
Kommunistische Partei Deutschlands
(Spartakusbund)<
[Quelle:] Hans Spethmann, Die Rote Armee an Ruhr und Rhein, Berlin 1930, S. 23/24.
Flugblatt der KPD-Bezirksleitung Rheinland-Westfalen vom 14. März 1920:
>Arbeiter, Proletarier!
Die Lüttwitzer haben ihren Lakaien, den Noske, Ebert, Bauer, den längst verdienten Tritt gegeben.
Was die Scheinsozialisten vorbereitet haben, die Reaktion, das setzen die Militaristen, Junker und Kapitalisten unter eigener Firma fort.
Wie zu erwarten war, besinnen sich die Scheidemänner plötzlich wieder auf revolutionäre Forderungen. Nun wollen sie gar für die Diktatur des Proletariats eintreten. Dasselbe Spiel, wie im November 1918 und in den ersten Revolutionsmonaten. Damals versprachen sie die Sozialisierung, versprachen sie die Einführung von Betriebsräten. Die Arbeiter trauten den Zusicherungen. Sie wurden verraten, wie noch nie die Angehörigen der ausgebeuteten Klassen von ihren eigenen Vertrauensleuten verraten worden sind. Und wiederum versuchen die Noske, Ebert und deren Trabanten das Proletariat zu betrügen. Darum versprechen sie alles. Sobald die Massen ihnen trauen, ihnen folgen, werden sie mit der Bourgeoisie wieder Frieden schließen gegen das revolutionäre Proletariat.
Arbeiter, Proletarier, seid gewarnt! Jagt endlich die Verräter des Sozialismus zum Teufel!
Die KPD fordert das Proletariat auf zum Kampf gegen die bürgerliche Gesellschaft, gegen die kapitalistische Diktatur, gegen den Scheinsozialismus, für die Diktatur des Proletariats, für revolutionäre Betriebsräte, für revolutionäre Arbeiterräte, für den Kommunismus, für die Weltrevolution!
In die Räte dürfen nur unzweifelhaft revolutionäre Arbeiter aufgenommen werden (Kommunisten und linksstehende Unabhängige).
Für diese Forderungen treten die Arbeiter am Montag, dem 15. März, in den Generalstreik.
Die Bezirksleitung der KPD (Rheinland-Westfalen wie auch für den Unterbezirk Remscheid-Barmen-Elberfeld) lehnt jede Gemeinschaft mit der Ebert-Noske-Partei ab. Wir fordern das Proletariat auf, für die oben stehenden Forderungen und Parolen den Kampf gegen jede Reaktion, für die Diktatur des Proletariats aufzunehmen.
Die Kommunistische Partei (Spartakusbund)<
W. Düwell, Der Kapp-Putsch und die Märzkämpfe im rheinisch-westfälischen Industriegebiet, Duisburg 1920, S. 43.
Verhängung des verschärften Belagerungszustandes:
>In verschiedenen Orten ist es gestern zu Ausschreitungen linksradikaler Elemente gekommen. Durch bewaffnete Banden sind öffentliche und Verkehrsanlagen besetzt und große Verstöße gegen Ruhe und Ordnung vorgekommen. Versuche, die Einwohnerwehr zu entwaffnen, die Räterepublik auszurufen, wurden unternommen. An einem Ort haben Linksradikale Leiter von Werken als Geiseln festgesetzt. Ungesetzliche Arbeiterräte maßen sich Gerechtsame an, die selbst gesetzlich gewählten Arbeiterräten nicht zustehen (Verbot von Zeitungen usw.). Das Wehrkreiskommando kann derartige Zustände natürlich nicht dulden und verhängt zur Wiederherstellung der Ruhe und Ordnung über die Regierungsbezirke Arnsberg und Münster seinen Verschärften Zustand. Die vom Reichspräsidenten unter dem 13. Januar 1920 gegebene Ergänzungsverordnung vom 11. Januar 1920 ist hiermit in den beiden Regierungsbezirken bekanntzugeben.
Außerordentliche Kriegsgerichte sind in Münster, Arnsberg, Dortmund, Hagen und Bochum für jeden Bezirk der betreffenden Landgerichte nach besonderem Befehl des Wehrkreiskommandos einzurichten.
Der Reichs- und Reg.-Kommissar Der Befehlshaber
Severing Frhr. V. Watter<
Hans Spethmann, Die rote Armee an Ruhr und Rhein, Berlin 1930, S. 58/59.
Das Bielefelder Abkommen:
>Die Vertreter aller beteiligten Parteien und Erwerbsgruppen erklären, dass sie ihre Forderungen zur Entwirrung der aus dem Kapp-Putsch entstandenen Lage mit der Verfassung und der Regierung auf Grund folgender Vereinbarung in Einklangbringen wollen.
1. Die anwesenden Vertreter der Regierungsparteien werden bei ihren Fraktionen dafür eintreten, dass bei der bevorstehenden Neubildung der Regierung im Reich und in Preußen die Personenfrage von den Parteien nach Verständigung mit den am Generalstreik beteiligten gewerkschaftlichen Organisationen der Arbeiter, Angestellten und Beamten gelöst und dass diesen Organisationen ein entscheidender Einfluss auf die Neuregelung der wirtschafts- und sozialpolitischen Gesetze eingeräumt wird unter Wahrung der Rechte der Volksvertretung.
2. Sofortige Entwaffnung und Bestrafung aller am Putsch oder am Sturz der verfassungsmäßigen Regierung schuldigen sowie der Beamten, die sich der ungesetzlichen Regierung zur Verfügung gestellt haben.
Es wird Straffreiheit denen gewährt, die in der Abwehr des gegenrevolutionären Anschlages gegen Gesetze verstoßen haben, wenn die Verstöße und Vergehen vor Abschluss dieser Vereinbarungen, spätestens aber bis zum 25. März, vormittags 8 Uhr, erfolgten. Auf gemeine Verbrechen gegen Personen und Eigentum findet diese Bestimmung keine Anwendung.
3. Gründliche Reinigung der gesamten öffentlichen Verwaltungen und Betriebsverwaltungen von gegenrevolutionären Persönlichkeiten, besonders solchen in leitenden Stellungen, und Ersatz durch zuverlässige Kräfte. Wiedereinstellung aller in öffentlichen Diensten aus politischen und gewerkschaftlichen Gründen gemaßregelten Organisationsvertreter.
4. Schnellste Durchführung der Verwaltungsreform auf demokratischer Grundlage unter Mitbestimmung auch der wirtschaftlichen Organisationen der Arbeiter, Angestellten und Beamten.
5. Sofortiger Ausbau der bestehenden und Schaffung neuer Sozialgesetze, die den Arbeitern, Angestellten und Beamten volle soziale, wirtschaftliche Gleichstellung gewährleisten. Schleunigste Einführung eines freiheitlichen Beamtenrechts.
6. Sofortige Inangriffnahme der Sozialisierung der dazu reifen Wirtschaftszweige unter Zugrundelegung der Beschlüsse der Sozialisierungskommission, zu der Vertreter der Berufsverbände hinzuzuziehen sind. Die Einberufung der Sozialisierungskommission erfolgt sofort. Übernahme des Kohlen- und Kalisyndikats durch das Reich.
7. Auflösung aller der Verfassung nicht treu gebliebenen konterrevolutionären militärischen Formationen und ihre Ersetzung durch Formationen aus den Kreisen der zuverlässigen republikanischen Bevölkerung, insbesondere der organisierten Arbeiter, Angestellten und Beamten, ohne Zurücksetzung irgendeines Standes. Bei dieser Reorganisation bleiben erworbene Rechtsansprüche treu gebliebener Truppen und Sicherheitswehren unangetastet. Unter die danach aufzulösenden Truppen fallen nach Ansicht der Kommission die Korps Lützow, Lichtschlag und Schulz.
8. Wirksame Erfassung, gegebenenfalls Enteignung der verfügbaren Lebensmittel und verstärkte Bekämpfung des Wucher- und Schiebertums in Stadt und Land, Sicherung der Erfüllung der Ablieferungsverpflichtung durch Gründung von Lieferungsverbänden und Verhängung fühlbarer Strafen bei böswilliger Verletzung der Verpflichtung.
9. Die verfassungsmäßigen Behörden walten ihres Amtes nach den gesetzlichen Vorschriften. Die jetzt bestehendenVollzugs- oder Aktionsausschüsse haben in Gemeinschaft mit der Gemeindebehörde die Ortswehr aufzustellen und die Waffenabgabe zu regeln. Dieses muss spätestens innerhalb zehn Tagen geschehen. Danach tritt an die Stelle jener Ausschüsse ein aus der organisierten Arbeiter-, Angestellten- und Beamtenschaft und den Mehrheitsparteien gebildeter Organisationsausschuss, der im Einvernehmen mit den zuständigen Gemeindeorganen bei der Durchführung des Sicherheitsdienstes mitwirkt.
10. Zur Unterstützung der ordentlichen Sicherheitsorgane wird, soweit erforderlich eine Ortswehr in Stärke bis zu drei auf 1.000 Einwohner aus den Kreisen der republikanischen Bevölkerung, insbesondere der organisierten Arbeiter, Angestellten und Beamten, gebildet. Für die Zeit, während welcher sie zum Dienst eingezogen sind, werden sie, soweit nicht der Staat die Kosten übernimmt, von der Gemeinde bezahlt. Durch die Bildung der Ortswehren sind die Einwohnerwehren aufgehoben.
11. Die sämtlichen Beteiligten verpflichten sich, ihren ganzen Einfluss dahin auszuüben, dass die Arbeiterschaft restlos zur gewohnten Arbeit sofort zurückkehrt. Die Arbeitgeber sind angehalten, die zurückkehrenden Arbeiter wieder einzustellen.
12. Es erfolgt sofortige Abgabe der Munition sowie die Rückgabe requirierter und erbeuteter Heeresgeräte an die Gemeindebehörden.
13. Alle Gefangenen sind sofort, spätestens bis zum 27. März, mittags 12 Uhr, zu entlassen.
14. Bei loyaler Einhaltung dieser Vereinbarungen wird ein Einmarsch der Reichswehr in das rheinisch-westfälische Industriegebiet nicht erfolgen. Nach der Erklärung des Bevollmächtigten des Wehrkreiskommandos VI und des Reichskommissars wird das Wehrkreiskommando in politisch-militärischen Angelegenheiten nur auf schriftliche Anweisung des gesamten Reichsministeriums handeln. Ferner erklärt der Reichskommissar, dass er einen Vertrauensmann der Arbeiterschaft berufen werde, der bei allen militärisch-politischen Handlungen, über die der Reichskommissar mit zu bestimmen hat, gehört werden soll.
15. Der verschärfte Ausnahmezustand soll sofort aufgehoben werden, der allgemeine Ausnahmezustand dann, wenn die unter Ziffer 9 bis 12 festgelegte Regelung erfolgt ist.
16. Der Herr Reichsminister Giesberts wird die Frage der Versorgung der Hinterbliebenen und Verletzten dem Reichskabinett vortragen mit dem Bestreben, dass die Kosten vom Reiche übernommen werden. Die Kommission spricht die Erwartung aus, dass das Reich die Kommunalverbände für alle ihnen aus den Unruhen erwachsenen Kosten und Schäden schadlos hält.
17. Weder den Arbeitern, die an den Kämpfen teilgenommen haben, noch den Mitgliedern der Polizei und Einwohnerwehren und den Mannschaften der Reichswehr dürfen Nachteile oder Belästigungen wegen ihrer Teilnahme erwachsen.
Giesberts, Reichspostminister; Severing, Thielemann, Heinrich Meyer, F. Klupsch, E. Sasse, Cuno, Stenz, Imbusch, Klaft, Hamm, Dr. Jarres, Max Herbig, Paul Oettinghaus, C. Brass, W. Enz, Fritz Charpentier, O. Triebel, Mehlich, Protokollführer.<
Aus einer Erklärung der Mannschaften Hauptmann Langes nach ihrer Gefangennahme bei Herdecke:
>Wir stehen nach wie vor hinter der vom Volke gewählten Regierung, der wir den Treueid geleistet haben. Uns wurde gesagt, wir seien neutral und sollten nur da eingreifen, wo geraubt und geplündert werde. Als wir in Herdecke die Wahrheit unserer Bestimmung erfuhren, haben wir dem Hauptmann Lange den Gehorsam verweigert und auf eine Verteidigung des Rathauses verzichtet. Auch ist das Feuern in der vorderen Linie auf eigene Faust eingestellt worden.
Nach unserer Internierung müssen wir feststellen, dass wir von unseren vorgesetzten Offizieren in gröblichster Weise hinters Licht geführt worden sind. Wir haben keine konterrevolutionäre Gesinnung und hätten uns niemals wissentlich zu konterrevolutionären Zwecken missbrauchen lassen.
Wir bemerken ausdrücklich, dass auch die umlaufenden Behauptungen, wir seien nach unserer Waffenstreckung durch die Arbeitertruppen scheußlich behandelt und misshandelt worden, unwahr sind, dass jede gegenteilige Behauptung auf keiner Mitteilung der Soldaten beruhen kann.<
Carl Severing, 1919-1920 im Wetter- und Watterwinkel, Bielefeld 1927, S. 148.
Befehl der Gefechtsleitung Kuhn vom 24. März 1920:
>An die Herren Kompanieführer.
In bezug auf die Unterredung, die ich mit Ihnen hatte, ordne ich folgendes an:
Jede Kompanie ist in Korporalschaften einzuteilen, und zwar so, dass diejenigen Leute, die gewillt sind, bis zum Schlusse mitzukämpfen, in Korporalschaften für sich und die anderen ebenfalls für sich eingeteilt werden. Womöglich kann es vielleicht durchgeführt werden, die Leute in zwei Zügen zu gruppieren. Die einzelnen Zugführer und Korporalschaftsführer sind mir namhaft zu machen. Der Ernst unserer Lage zwingt uns, darauf zu sehen, dass sämtliche Gewehre an der Front bleiben. Ich bin daher gezwungen, denjenigen Leuten, die nach Hause fahren wollen, die Gewehre samt Munition abnehmen zu lassen. Um Missverständnisse zu verhüten, bitte ich die Herren Kompanieführer, solchen Leuten, die sich nur auf kurze Zeit von der Front entfernen, Ausweise auszustellen. Ich werde der Polizeikompanie Hünxe den strengen Befehl zugehen lassen, allen Leuten, die sich von der Front entfernen, Ausweise abzuverlangen.
Ich bitte die Herren Kompanieführer, den Leuten folgende Instruktion über unsere augenblickliche Gefechtslage geben zu wollen: Unsere Kampfgruppe führt den Namen Kampfgruppe Hünxe und ist im Begriff, sich in einen regulären Truppenteil zu formieren, dessen linker Flügel in Bocholt und dessen rechter Flügel in Gartrop bzw. in Gahlen endigt. Die Kampftruppe Hünxe wird in zwei Angriffsgruppen eingeteilt, von denen jede einen Gefechtsstand mit einem Angriffsleiter hat. Die einzelnen Angriffsgruppen werden wieder in Kompanien eingeteilt zu je einer Stammstärke von 200 Mann. Diese 200 Mann müssen sich verpflichten, gegen Unterschrift, dass sie für unsere ideale Sache bis zum letzten Atemzuge einstehen und die Front ohne Erlaubnis oder Befehl nicht verlassen. Ferner werden jeder Kompanie zugeteilt: vier Fahrräder, je nach der Lage der Maschinengewehre sowie Minenwerfer, Meldereiter und Sanitätspersonal mit Ausrüstung sowie Korporalschaften von denjenigen Leuten, die gerne mitkämpfen wollen, jedoch verhindert sind, auf vorstehende Verpflichtung einzugehen. Wir müssen diese Einteilung im Interesse einer zu errichtenden Einheitsfront unbedingt durchführen. Viele Leute sind sich der ernsten Lage noch gar nicht bewusst. Unsere gefallenen Kameraden, die ihr Bestes, was sie hatten, ihr Leben, für unsere ideale Sache hingaben, schon ihnen allein sind wir es schuldig, den Kampf mit dem Kapitalismus bis zum Ende durchzuführen. Es gibt ein altes Sprichwort, das heißt: Einigkeit macht stark. Darum müssen wir einig sein, um zum Ziele zu kommen. Unsere Parole heißt: Siegen oder sterben!<
>Die Rechte der Mannschaften
Die Mannschaften sind berechtigt, ihre Führer selbst zu wählen, und zwar wird dieses vorgenommen, wenn die einzelnen Kompanien abgelöst und in Ruhe kommen. Bestimmte Verpflegungssätze sind von der Kampfoberleitung noch nicht herausgegeben. Jedoch werde ich besorgt sein, genügend Verpflegung heranzuschaffen. Zu diesem Zwecke muss mir die Kompanie jeden Tag die Verpflegungsstärke mitteilen. Ferner muss die ganze Kampfgruppe Hünxe mir ihr volles Vertrauen schenken, damit ich bei den einzelnen Aktionsausschüssen energisch auf Heranschaffung von Verpflegung dringen kann. Es können vielleicht Stunden entstehen, wo ich den einzelnen Aktionsausschüssen sagen muss, ich ziehe meine Kampftruppe aus dem Gefecht, wenn ich nicht genügend Verpflegung bekomme. In diesen Stunden muss die Kampfgruppe Hünxe Mann für Mann hinter mit stehen.<
Hans Spethmann, Die Rote Armee an Ruhr und Rhein, Berlin 1930, S. 127/128.
>Hamborn, den 26. März 1920.
G e h e i m b e r i c h t !
V e r t r a u l i c h !
A n a l l e T r u p p e n u n d K o m m a n d e u r e !
Dem Lebensmitteldepot in der Evangelischen Schule Walsum, Kommandant Brahm (Walsum), Vertreter H. Heidtkamp (Walsum), sind sämtliche Lebensmittel, welche von auswärts zur Verpflegung der auswärtigen Truppen dort ankommen, zu überweisen.
Diese Anordnung ist strikte durchzuführen.
Das Munitionsdepot Wirtschaft Vier Linden, Kommandant Dörr, wird angewiesen, sämtliche für die Rote Armee bestimmte Munition aufzunehmen. Weiterverteilung wird noch geregelt.
Außerdem werden sämtliche von auswärts kommenden Waffen, welche dem Kommandanten zur Verfügung gestellt werden und einem Truppenverbande nicht angehören, dort von ihm in Empfang genommen.
Die einzelnen Städte, welche Last- sowie Personenautos zur Front senden, haben, soweit Vorrat vorhanden, Betriebsmaterial mitzusenden, mindestens aber genügend Betriebsstoff bis zur Front.
Das Benzol- sowie Öllager verbleibt nach wie vor im Schlachthof Hamborn. Eventuell werde ich noch näher bestimmen, wo Betriebsstoff außerdem empfangen werden kann.
Sämtliche Anforderungen sowie Ausweise müssen von mir bestätigt sein. Anweisungen, welche eine andere Unterschrift haben, werden abgewiesen. Das Hauptquartier befindet sich in den Vier Linden, Walsum. Den Anordnungen der einzelnen Etappenkommandanten ist unbedingt Folge zu leisten. Sämtliche von mir abgegebenen Anweisungen betreffen die Kampffront Niederrhein bis Peddenberg.
Es sind von jeder Kompanie mindestens zwei Radfahrer, davon einer dem Hauptquartier zur Verfügung steht, zu stellen.
Die Kampffront ist in drei Abschnitte eingeteilt:
Abschnitt 1: Niederrhein, Beobachtungsturm auf der Heide Friedrichsfeld.
Abschnitt 2: Beobachtungsturm Hünxe.
Abschnitt 3: Hünxe, Peddenberg.
Kommandeur des Abschnitts 1 ist Abschnittskommandeur Müller und sein Stellvertreter Hoffman.
Kommandeur des Abschnitts 2 ist Abschnittskommandeur Berger und sein Stellvertreter Kauffeldt.
Kommandeur des Abschnitts 3 ist Abschnittskommandeur Kuhn und sein Stellvertreter ???
Die Städte Mülheim, Essen, Duisburg, Düsseldorf, Elberfeld, Barmen, Solingen, Remscheid, Oberhausen und Hamborn stellen je ein Transportauto dem Hauptquartier zur Verfügung. Truppentransporte bis Wirtschaft Waldschlösschen Walsum haben die einzelnen Städte selbst zu übernehmen.
Der Transport von und zur Front bis Walsum ist dem Kommandeur des Kampfabschnitts unterstellt.
Es sind von den angegebenen Städten entweder ein Kurier mit Auto oder mit Motorrad für den Kurierdienst Vier Linden zu den einzelnen Städten mit Kurieren zu stellen.
Versprengte Truppen werden ab 27. März, mittags 12 Uhr, unter Angabe, zu welcher Kompanie und zu welchem Abschnitt sie gehören, in der Evangelischen Kirche Walsum verpflegt.
Sämtliche von der Front zurückkehrenden Mannschaften haben einen Ausweis ihres Kompanie- bzw. Zugführers vorzuweisen. Die von mir eingerichtete Feldgendarmerie hat die Anweisung erhalten, alle Mannschaften, welche sich eigenmächtig aus der Front zurückziehen, zu entwaffnen und nach ihrer Heimstadt zu senden. Selbstredend wird ihnen der Waffenschein entzogen.
Der von mir eingesetzte Stadtkommandant von Dinslaken, Fix, hat nur Anweisungen zu treffen, die von mir gegengezeichnet sind.
Der Militäroberbefehlshaber der Roten Armee<
Hans Spethmann, Die Rote Armee an Ruhr und Rhein, Berlin 1930, S. 129/130.
>Verfügung
Wir sind gezwungen, wegen der Vorkommnisse in den letzten Tagen die schärfsten Maßnahmen zu ergreifen. Da Verwundete eingeliefert worden sind, bei denen einwandfrei Schrotschüsse festgestellt worden sind, welche nur von Jagdmunition herrühren können, werden sämtliche Waffenscheine für ungültig erklärt.
Wir sind nicht gewillt, in unserem eigenen Hinterland uns eine große Gefahr aufzubauen.
Ich gebe hierdurch bekannt, dass sämtliche Waffen und Munition 12 Stunden nach Bekanntmachung abgegeben sein müssen. Da ich so ziemlich genau über den Waffenbesitz bei mir in der Gemeinde orientiert bin, verlange ich, dass in festgesetzter Frist sämtliche Waffen abgeliefert werden.
Wo nach abgelaufener Frist noch Waffen gefunden werden, wird streng bestraft, in schweren Fällen mit dem Tode bestraft. Ich fordere die Einwohnerschaft in ihrem eigenen Interesse auf, dieser Verfügung unbedingt Folge zu leisten, damit ich nicht in die Zwangslage komme, solche schweren Strafen vollziehen zu müssen.
Gegeben:
Marl, den 29. März 1920.
Die Zentralleitung der Roten Armee
Wohlgemuth<
Hans Spethmann, Die Rote Armee an Ruhr und Rhein, Berlin 1930, S. 131.
>Befehl
Die Abschnittsgefechtsleitung besteht aus folgenden Genossen:
Stand "Haus Malta"
Gefechtsleiter I: Rob,
Gefechtsleiter II: Lorenz,
Gefechtsleiter III: Christmann.
Als geländekundige Beiräte Genossen Müller und Sehs.
Unterschriften leisten nur die drei Gefechtsleiter. Ordonnanzen mit Gerät werden überwiesen. Es hat auf der Gefechtsleitung immer einer der Gefechtsleiter anwesend zu sein. Sämtliche Befehle betreffs Quartiermaßnahmen von Infanterie, Artillerie usw. erteilt die Gefechtsleitung. Diese holt ihre Aufträge vom Hauptquartier ein.
Es ist darauf zu achten, dass ein harmonisches Zusammenarbeiten besteht.
Hauptquartier, den 30. März 1920.
Der Militär-Oberbefehlshaber der Roten Armee
Abschnitt I (Sonst Abschnitt West gen. W.)
(Stempel) Militärische Oberbefehlsstelle der Roten Armee
Dudo, Kommandant<
Hans Spethmann, Die Rote Armee an Ruhr und Rhein, Berlin 1930, S. 167.
Telegramm aus Berlin vom 28. März 1920:
>Forderung der Reichsregierung an die Aufständischen im rheinisch-westfälischen Kohlenrevier
Die Regierung hat durch die "Bielefelder Verhandlungen" versucht ohne Anwendung von Gewalt Ruhe und Ordnung im Ruhrgebiet wiederherzustellen. Der Versuch ist gescheitert. Die rote Armee hat sich nicht danach gerichtet. Die Angriffe auf Wesel sind der größten Heftigkeit fortgesetzt worden. Die Gefangenen wurden nicht freigegeben, die Abgabe der Waffen nicht durchgeführt, die Verhältnisse haben sich im Gegenteil noch verschlimmert. Zahlreiche Notschreie aus allen Teilen der Bevölkerung berichten über Verbrechen und Gewalttätigkeiten, die von den roten Truppen begangen werden; das zwingt die Regierung zum energischen handeln, um möglichst bald wieder geordnete Verhältnisse in diesen Gebieten herzustellen und die Bevölkerung vor Willkürakten zu schützen. Um aber allen Verführten nochmals Gelegenheit zu geben, zur Vernunft zurückzukehren, will die Regierung noch eine letzte Frist gewähren, ehe sie mit Waffengewalt einschreitet. Sie fordert daher bis zum 30. März, 12 Uhr mittags, eine ausreichende Sicherheit für den Militärbefehlhaber des Wehrkreises VI, Generalleutnant von Watter, in Münster, für die Annahme und Durchführung folgender Bedingungen:
1. Uneingeschränkte Anerkennung der verfassungsmäßigen Staatsautorität.
2. Wiedereinsetzung der staatlichen Verwaltungs- und Sicherheitsorgane, soweit sie nicht durch Eintreten für die Kapp-Lüttwitz-Regierung belastet sind.
3. Sofortige Auflösung der Roten Armee.
4. Völlige Entwaffnung der gesamten Bevölkerung einschließlich Einwohnerwehren unter Aufsicht der rechtmäßigen staatlichen Organe. - Die Art und Zeit der Durchführung der Entwaffnung wird durch den Inhaber der vollziehenden Gewalt näher bestimmt werden.
5. Sofortige Freigabe der Gefangenen.
Falls diese Bedingungen angenommen werden, wird die Reichsregierung von einem Angriff absehen, andernfalls erhält der Inhaber der vollziehenden Gewalt Freiheit des Handelns zur vollen Wiederherstellung gesetzmäßiger Zustände.
Die Reichsregierung.
Der Reichsminister: Der Reichskanzler:
gez. Geßler gez. Müller<
Hans Spethmann, Die Rote Armee an Ruhr und Rhein, Berlin 1930, S. 160/161.
Zusatz Watters zu den Forderungen der Reichsregierung an die Aufständischen im rheinisch-westfälischen Kohlenrevier vom 28. März 1920:
>Zusätze des Befehlshabers
1. Waffen und Munition sind an die Polizeiverwaltungen abzugeben und von diesen per Bahn dem Wehrkreiskommando nach Münster zuzuführen. Die Polizeiverwaltungen haben bis 30. März, 11 Uhr vormittags, dem Wehrkreiskommando die Zahl und Art der zur Abgabe gelangten Waffen und Munition zu melden. Sind bis 31. März, 12 Uhr mittags, nicht schon vier schwere, zehn leichte Geschütze, 200 Maschinengewehre, 16 Minenwerfer und 20.000 Gewehre, 400 Schuss Artilleriemunition, 300 Schuss Minenwerfermunition und 100.000 Schuss Infanteriemunition abgeliefert, so gilt die Bedingung der Waffenabgabe nicht als erfüllt. Werden die geforderten Mengen erreicht, so wird weitere Bestimmung über die restliche Waffenabgabe erfolgen.
2. Die Regierungspräsidenten werden bis zum 30. März, 11 Uhr vormittags, um Meldung ersucht, ob noch in ihren Bezirken Vollzugsräte bestehen oder die ordentlichen Behörden wieder restlos in ihre Rechte eingesetzt sind. Bestehen noch Vollzugsräte am 30. März, 11 Uhr vormittags, so gilt die Bedingung der Anerkennung der Staatsautorität nicht als erfüllt.
3. Stehen am 30. März, 11 Uhr vormittags, noch Teile der Roten Armee oder sonstiger Wehren unter den Waffen, so gilt die Bedingung der Auflösung der Roten Armee nicht als erfüllt. Die gegnerische Kampfleitung wird zur Angabe hierüber bis 30. März, 11 Uhr vormittags, aufgefordert.
4. Befindet sich am 30. März, 11 Uhr vormittags, noch ein gefangener Reichswehrsoldat, Sicherheitspolizist, Angehöriger der Einwohnerwehr oder der Essener und Dortmunder Sicherheitswehr als Gefangener in den Händen der Aufrührer, sind ferner bis 30. März, 11 Uhr vormittags, nicht alle Geiseln freigegeben, so gilt die Bedingung der Freilassung der Gefangenen nicht als erfüllt.
5. Gefangene und Geiseln müssen bis 30. März, 12 Uhr vormittags, beim Wehrkreiskommando in Münster eingetroffen sein. Wird Gefangenen und Geiseln auch nur ein Haar gekrümmt, so gilt die Bedingung ebenfalls nicht als erfüllt.
Freiherr von Watter, Generalleutnant
Für den Reichskommissar, i. A.: Hauptmann Lorenz.<
Hans Spethmann, Die Rote Armee an Ruhr und Rhein, Berlin 1930, S. 145-147.
Telegramm des Zentralrats an die Regierung vom 29. März 1920:
>Der Zentralrat der Vollzugsräte des Industriegebietes Rheinland-Westfalen erklärt, dass er die in Bielefeld am 24. März getroffenen Vereinbarungen anerkennt, wenn auch von der jetzigen Regierung erklärt wird, dass sie diese Vereinbarungen als für sich bindend anerkennt.
In diesem Falle nimmt der Zentralrat die von der Regierung gestellten und dem Zentralrat durch das Wehrkreiskommando 6 am 28. März, abends 10 Uhr, telefonisch übermittelten unter Ziffern 1, 2, 3 und 5 aufgeführten Bedingungen an. Sind die unter Ziffer 4 aufgestellten Bedingungen so zu verstehen, dass sie den Ziffern 9 und 12 der Bielefelder Verhandlungen entsprechen, so erkennt der Zentralrat auch die unter Ziffer 4 aufgestellten Bedingungen an.
Die Kampfleitung der Roten Armee hat dem Zentralrat erklärt, dass sie sich diesem Beschluss des Zentralrats unterwerfe. Der Zentralrat ersucht die Regierung um sofortige Antwort an Zentralrat Essen, Kaiserhof.<
W. Düwell, Der Kapp-Putsch und die Märzkämpfe im rheinisch-westfälischen Industriegebiet, Duisburg 1920, S. 25.
Brief eines weißgardistischen Studenten:
>An das Reservelazarett I, Station A, Dresden.
Wischershöfen, 2. April 1920.
Liebe Schwestern und Kranke!
Bin nun endlich bei meiner Kompanie. Gestern vormittag kam ich zu meiner Kompanie und nachmittags um 1 Uhr machten wir den ersten Sturm. Wenn ich Euch alles schreiben würde, da würdet Ihr sagen, das sind Lügen. Pardon gibt es überhaupt nicht. Selbst die Verwundeten erschießen wir noch. Die Begeisterung ist großartig, fast unglaublich. Unser Bataillon hat zwei Tote. Die Roten 200 bis 300. Alles, was uns in die Hände fällt, wird mit den Gewehrkolben zuerst abgefertigt und dann noch mit der Kugel. Ich dachte während des ganzen Gefechts an Station A. Das kommt nämlich daher, dass wir auch zehn Rote-Kreuz-Schwestern sofort erschossen haben, von denen jede eine Pistole bei sich trug. Mit Freuden schossen wir auf diese Schandbilder, und wie sie geweint und gebeten haben, wir sollten ihnen das Leben lassen. Nichts! Wer mit einer Waffe angetroffen wird, der ist unser Gegner und muss daran glauben. Gegen die Franzosen waren wir im Felde viel humaner. Wie geht es sonst im Lazarett? - Die Bevölkerung gibt uns alles. In den Wirtschaften werden wir oft 20 bis 30 Mann freigehalten. Meine Adresse ist: Max Ziller, Student, 11. Kompanie, Brigade Epp. Post Rokow in Westfalen.<
Erwin Bauer, Der Ruhraufstand von 1920, Berlin 1930, S. 94.
Vereinbarung der Verhandlungen zu Münster am 31. März 1920:
>Die Sitzung hat allseitig die Notwendigkeit betont, dass die sowohl von der Reichsregierung wie auch von dem Zentralrat Essen und den drei sozialistischen Parteien anerkannten Bielefelder Beschlüsse eingehalten werden. Die Frist für die Ablieferung der Waffen und den Abbau der Fronten auf Grund der Bielefelder Bedingungen wird bis zum 2. April, mittags 12 Uhr, verlängert. Bis zu diesem Termin hat auch die ausgesprochene Amnestie Geltung, so dass allen Kämpfern ein ehrenvoller Abgang möglich ist. Jede Vorwärtsbewegung der Reichswehr oder ihrer Teile hört mit dem 31. März, abends, auf. In Orten, die die gestellte Bedingung der restlosen Ablieferung der Waffen im Sinne der Bielefelder Beschlüsse, d. h. an die Gemeindebehörden und Ortswehren fristgemäß durchführen, wird das Standgericht und der verschärfte Ausnahmezustand aufgehoben. Als Aufrührer im Sinne der Regierungserklärung werden nur diejenigen betrachtet, die nach dem 2. April 1920, mittags 12 Uhr, zum Zwecke des Kampfes gegen die verfassungsgemäßen Organe Waffen führen oder die Kaffen entgegen der Vereinbarung nicht niederlegen. Die drei sozialistischen Parteien und der Zentralrat in Essen werden ihren ganzen Einfluss einsetzen, um den Kampf der Arbeiterschaft des Industriegebietes geschlossen und einheitlich zu dem genannten Zeitpunkt zu beenden. Der Reichsregierung liegt Material gegen die politische Haltung des Generals von Watter nicht vor. Wenn solches eingereicht wird, wird die Regierung Schritte unternehmen.<
"Die Kommunistische Internationale", 2. Jahrgang, 1920, Heft 15, S. 514.
Resolution der Vollversammlung der Vollzugsräte vom 1. April 1920:
>Die Vollversammlung für das Industriegebiet Rheinland-Westfalen beschließt die Anerkennung und sofortige Durchführung der Bielefelder Vereinbarungen vom 24. März und der am 31. März in Münster getroffenen Vereinbarungen.
Die Kampfleiter der Roten Armee erklären, dass sie sich diesen Beschlüssen der Vollzugsräte unterwerfen und für sofortige Durchführung der Beschlüsse sorgen werden.
Aus den Vereinbarungen ergeben sich für die kämpfende Arbeiterschaft folgende Verpflichtungen und Rechte:
1. Sofortige Einstellung des militärischen Kampfes und sofortige Auflösung der Roten Armee bis zum 2. April, spätestens12 Uhr mittags. Von den Truppenleitern ist den Soldaten eine Bescheinigung über ihre Dienstzeit auszustellen. Die zu entlassenden Soldaten gehen mit ihren Waffen an ihren Wohnsitz zurück, wo sie Waffen und Munition abzugeben und wo sie ihre Löhnung in Empfang zu nehmen haben. Die Unternehmer sind verpflichtet, alle bisher von ihnen beschäftigten Arbeiter, die an den Kämpfen teilgenommen haben, wieder einzustellen.
2. Sofortige Freilassung der aus Anlass des Kampfes gemachten Gefangenen bis spätestens 2. April, 12 Uhr mittags.
3. Sofortige Abgabe der Waffen, Munition, erbeuteter und requirierter Heeresgeräte an die Stellen, die von den jetzt bestehenden Vollzugs- und Aktionsausschüssen in Gemeinschaft mit den Gemeindebehörden festzusetzen sind. Diese Stellen haben dafür zu sorgen, dass auch die Waffen abgeliefert werden, die das Bürgertum noch im Besitz hat. Die Verwahrung von Waffen und Munition übernimmt die Gemeindebehörde. Der zu bildende Ordnungsausschuss wird darüber zu wachen haben, dass sie offen in Verwahrung der Gemeindebehörden bleiben. Die völlige Abgabe von Waffen und Munition muss innerhalb von zehn Tagen, spätestens bis 10. April restlos durchgeführt werden.
4. Zur Unterstützung der ordentlichen Sicherheitsorgane ist vom Ordnungsausschuss sofort eine Ortswehr aus der republikanischen Bevölkerung, insbesondere den organisierten Arbeitern, Angestellten und Beamten zu bilden, und zwar in einer Stärke von drei Mitgliedern der Ortswehr auf je 1.000 Einwohner. Für die Zeit, in der die Mitglieder der Ortswehr Dienst leisten, haben sie eine Bezahlung von der Gemeinde zu beanspruchen. Es ist in der Vereinbarung vorgesehen, dass die Kosten der Ortswehr zum Teil vom Staat getragen werden.
Sämtliche bisherigen Einwohnerwehren sind aufzulösen.
5. Die verfassungsmäßigen Behörden dürfen in der Ausübung ihrer Ämter entsprechend den dafür bestehenden Gesetzen nicht behindert werden.
Die Regierung ist auf Grund der Bielefelder Vereinbarungen zu folgendem verpflichtet:
1. Völlige Straffreiheit für die bis zum 2. April, mittags 12 Uhr, an den Kämpfen beteiligten Arbeiter zu gewähren. Als Aufrührer im Sinne der Regierungserklärung vom 30. März gilt nach den Vereinbarungen zwischen Gewerkschaftsbund und Regierung nur derjenige, der nach dem 2. April, mittags 12 Uhr, noch zum Zwecke des Kampfes gegen die verfassungsmäßigen Organe Waffen führt oder die Waffen nicht niedergelegt hat.
2. Sofortige Aufhebung des verschärften Ausnahmezustandes und des Standrechts bis zum 2. April, mittags 12 Uhr, und Aufhebung des allgemeinen Ausnahmezustandes bis spätestens 10. April.
3. Jeder Einmarsch von Regierungstruppen in das Industriegebiet ist zu verhindern. Sofortige Einstellung der Vorwärtsbewegung der Reichswehrtruppen am 31. März abends.
4. Prüfung des gegen General Watter eingereichten Materials wegen seiner konterrevolutionären Betätigung.
5. Sofortige Entwaffnung und Bestrafung aller am konterrevolutionären Putsch vom 13. März beteiligten Personen.
6. Auflösung aller der Verfassung nicht treu gebliebenen konterrevolutionären militärischen Formationen und ihre Ersetzung durch Formationen aus den Kreisen der zuverlässigen republikanischen Bevölkerung, insbesondere der organisierten Arbeiter, Angestellten und Beamten, ohne Zurücksetzung irgendeines Stands. Unter die danach aufzulösenden Truppen fallen die Korps Lützow, Lichtschlag und Schulz. Auflösung aller bisherigen Einwohnerwehren.
7. Gründliche Reinigung der gesamten öffentlichen Verwaltungen und Betriebsverwaltungen von gegenrevolutionären Personen, besonders von solchen in leitenden Stellen, und Ersatz durch zuverlässige Kräfte. Wiedereinstellung aller in öffentlichen Diensten aus politischen und gewerkschaftlichen Gründen gemaßregelten Organisationsvertreter.
8. Schnellste Durchführung der Verwaltungsreform auf demokratischer Grundlage, unter Mitbestimmung der wirtschaftlichen Organisationen der Arbeiter, Angestellten und Beamten.
9. Sofortiger Ausbau der bestehenden und Schaffung neuer Sozialgesetze, die den Arbeitern, Angestellten und Beamten volle sozial-wirtschaftliche Gleichberechtigung gewährleisten. Schleunigste Einführung eines freiheitlichen Beamtenrechts.
10. Sofortige Inangriffnahme der Sozialisierung der dazu reifen Wirtschaftszweige, unter Zugrundelegung der Beschlüsse der Sozialisierungskommission, zu der Vertreter der Berufsverbände hinzugezogen werden. Die Einberufung der Sozialisierungskommission erfolgt sofort. Übernahme der Kohlen- und Kalisyndikate durch das Reich.
11. Wirksame Erfassung, gegebenenfalls Enteignung der verfügbaren Lebensmittel, verschärfte Bestrafung des Schieber- und Wuchertums in der Stadt und Land. Sicherung von Lieferungsverbänden und Verhängung fühlbarer Strafen bei böswilliger Verletzung der Verpflichtungen.
12. Hinzuziehung der Arbeiter als politische Berater der militärischen Stellen.
13. Übernahme der Kosten der Versorgung der Hinterbliebenen und Verletzten und der den Gemeinden aus den Unruhen erwachsenen Kosten und Schäden auf das Reich.
Die Vollversammlung der Vollzugsräte beschließt die Aufhebung des Generalstreiks für das gesamte Industriegebiet.
Sie wird sofort die Arbeiterschaft wieder zum Kampf aufrufen, wenn die Regierung nicht ihre durch die Vereinbarungen in Bielefeld und Münster übernommenen Verpflichtungen erfüllt, insbesondere wenn es ihr nicht gelingt, den Truppenbewegungen gegen das Industriegebiet Einhalt zu gebieten.
Die Versammlung spricht den proletarischen Truppen die höchste Anerkennung für ihre Taten aus und verspricht, für die Unterstützung der Hinterbliebenen der gefallenen Kämpfer und der Verletzten nach besten Kräften zu sorgen.<
"Die Kommunistische Internationale", 2. Jahrgang, 1920, Heft 15, S. 515-518.
Erklärung des Zentralrats zur Organisierung und Festigung des Rätewesens vom 1. April 1920:
>Das Bielefelder Abkommen schließt nicht die Auflösung der politischen Arbeiter- und Betriebsräte und des Zentralrats in sich, nur werden diese Körperschaften nicht mehr die Funktionen erfüllen, die sie während des eben beendeten Kampfes gehabt haben (Ausübung der Kontrolle der behördlichen Funktionen). Das Bielefelder Abkommen schließt die volle Autorität der Behörden ein, die nach den gesetzlichen Vorschriften ihres Amtes zu walten haben. Infolgedessen hat die Kontrolle der Behörden durch die Arbeiter- und Vollzugsräte nur recht geringen Wert. Die Arbeiter- und Vollzugsräte und der Zentralrat müssen aber von den Arbeitern nicht nur erhalten, sondern ausgebaut werden. Die Räte sind die politischen Klassenorganisationen und Kampforgane des gesamten Proletariats der Gemeinde, des Bezirks und des Industriegebiets. Durch die Räte vertritt die Arbeiterschaft als Gesamtheit ihre Klasseninteressen gegenüber den bürgerlichen Klassen. In den Räten werden die Klassenforderungen des Proletariats sowie die Richtlinien und Parolen des politischen Kampfes besprochen und festgelegt, wobei jede Parteirichtung des Proletariats volle Diskussions- und Handlungsfreiheit hat.
Die Wahl der örtlichen Arbeiterräte hat in den Betrieben zu erfolgen. Die Zahl der zu wählenden Räte ist durch die örtlichen Vollzugsräte zu bestimmen. An der Wahl der Räte nimmt die gesamte Arbeiterschaft, einschließlich der Angestellten und Beamten, ohne Unterschied der Partei- und Gewerkschaftszugehörigkeit, teil.
In den Räten schließen sich die Mitglieder nach ihrer Parteizugehörigkeit zu Fraktionen zusammen.
Der örtliche Arbeiterrat wählt aus seiner Mitte einen Vollzugsrat, der die Leitung des Arbeiterrats bildet.
Die Vollzugsräte des Industriegebietes treten nach Bedarf zu Vollversammlungen zusammen. Die Vollversammlung wählt zur Vertretung der Interessen der Arbeiterschaft des gesamten Industriegebiets einen Zentralrat, der nächst der Vollversammlung der Vollzugsräte das oberste Organ der Arbeiterräte des Industriegebiets ist.
Er setzt sich zusammen aus Vertretern der Vollzugsräte unter Hinzuziehung von Vertretern der drei politischen Parteien der Arbeiterschaft, der gewerkschaftlichen und genossenschaftlichen Organisationen. Bei politischen Aktionen übernehmen die Räte durch ihre Vollzugsräte und den Zentralrat die Führung der Aktionen für das gesamte Industriegebiet.
Die Vollversammlung der Vollzugsräte stimmt der Erklärung und den Vorschlägen des Zentralrats zu und beschließt, dafür zu sorgen, dass sofort in allen Orten des Industriegebiets nach diesen Vorschlägen Arbeiterräte gewählt werden.<
"Die Kommunistische Internationale", 2. Jahrgang, 1920, Heft 15, S. 518/519.
Quelle: Otto Hennicke: Die Rote Ruhrarmee. Verlag des Ministeriums für Nationale Verteidigung, Berlin 1956.
"Die vorliegende Schrift stützt sich auf meine im Jahre 1955 an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg bei Prof. Dr. Stern angefertigte Examensarbeit." (Otto Hennicke)
Inhalt
Die Arbeiterbewegung im Ruhrgebiet vor dem Kapp-Putsch
Die Vorbereitung des Kapp-Putsches im Ruhrgebiet
Die Haltung Watters und seiner Truppen zum Putsch
Die ersten Abwehrmaßnahmen des Proletariats
Die Kommunistische Partei stellt sich an die Spitze der Massenbewegung
Versuche der Rechtssozialisten, die Arbeiter irrezuführen
Das Entstehen der Roten Armee und die ersten Gefechte
Die Befreiung des Ruhrgebietes von den weißen Truppen
Die Befreiung des Bergischen Landes
Der aufbau der Front gegen Münster
Die Säuberung des westlichen Reviers von den weißen Garden
Struktur, Stärke und Bewaffnung der Roten Armee
Die Kampfmoral der Roten Armee
Die Maßnahmen der Konterrevolution zur Abwürgung der revolutionären Aktion
Der Verrat der rechten SPD- und USPD-Führung
Die militärische Einkreisung des Ruhrgebietes
Die Bielefelder Verhandlungen
Die Auswirkungen des Bielefelder Abkommens auf die Rote Armee
Der klassenbewusste Teil des Ruhrproletariats schart sich um die KPD
Der Einmarsch der Reichswehr und die Auflösung der Roten Armee
Die Ursachen für die Niederlage des Ruhrproletariats
Einige Lehren aus dem Kampf der Roten Ruhrarmee
Anhang
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(bereitgestellt, Reinhold Schramm)
Bürgerkrieg und Konterrevolution in Deutschland. Bourgeoisie, Reichswehr und rechte USPD und SPD-Führer vs. Arbeiterklasse. (Teil VI.) - 13-09-10 21:20
Bürgerkrieg in Deutschland. Rechtssozialdemokraten und Militaristen gemeinsam als Kettenhunde des Finanzkapitals gegen die Arbeiter. Konrad Adenauer auf der Seite der landesverräterischen Separatisten. (Teil V) - 12-09-10 20:15
Bürgerkrieg in Deutschland. Die revolutionären Kämpfe der Roten Armee im Ruhrgebiet. Die SPD suchte die Einheitsfront des Proletariats zu zersetzen. (Teil IV) - 10-09-10 22:19
Bürgerkrieg in Deutschland. Unter der Losung „Gegen die Gefahr des Bolschewismus“ sammelten die Putschisten ihre Anhänger (Teil III) - 09-09-10 21:14
Bürgerkrieg in Deutschland. Der Kaiser ging; doch die Bankherren, Industriebarone, Generale und Junker blieben. (Teil II) - 07-09-10 20:24
Die Rote Ruhrarmee - 06-09-10 21:19