von Otto Hennicke, bereitgestellt von Reinhold Schramm
Die Rote Ruhrarmee
Struktur, Stärke und Bewaffnung der Roten Armee
Die Rote Armee setzte sich aus Arbeitern zusammen, die freiwillig zur Waffe griffen, um ihre Rechte gegen die Angriffe der Reaktion zu verteidigen. Von der Arbeiterklasse hervorgebracht, war sie eng mit dieser verbunden und besass ihre volle Sympathie und Unterstützung. Das machte sie den Söldnern der Reichswehr, die für Geld und fremde Interessen kämpften, von vornherein moralisch überlegen.
Auf dem Höhepunkt ihrer Kampfes war die Rote Armee etwa 100.000 Mann stark und damit der Reichswehr und den anderen konterrevolutionären Verbänden auch zahlenmäßig zeitweilig im Vorteil. Allerdings gewann sie diese Überlegenheit erst im Laufe des Kampfes und behielt sie nicht bis zum Ende. Die Rote Armee war ja überhaupt erst zu Beginn des Kampfes entstanden. Man müsste also annehmen, dass die gut ausgebildeten, im Bürgerkrieg geübten Reichswehrtruppen, an deren Spitze bewährte militärische Spezialisten standen, der Roten Armee wenigstens in bezug auf Organisationsaufbau, Disziplin, Operationsfähigkeit und Militärisch-taktisches Können ein starkes Übergewicht entgegensetzen konnten. Das war aber nicht der Fall. Die Rote Armee war durchaus keine unorganisierte, undisziplinierte, schwer zu dirigierende Masse.
Sofort nach ihrer Bewaffnung formierten sich die Arbeiter zu kampfstarken Kompanien und Bataillonen, deren untere Führer sie aus ihrer Mitte wählten. Die höheren Führer wurden von den zentralen Leitungen eingesetzt. Die Rote Armee baute sich zum größten Teil nach lokalen Gesichtspunkten auf. Jeder Ort stellte seine eigenen Kompanien, für deren Löhnung und Verpflegung der Aktions- und Vollzugsausschuss verantwortlich war. In einigen Fällen zogen auch Betriebsbelegschaften und Ledigenheime geschlossen in den Kampf.
In diesem lokalen Aufbau, der eine Widerspiegelung der lokalen Organisationsprinzipien der Parteien war, lag ein Mangel begründet: Er gab dunklen Elementen die Möglichkeit, sich in die Rote Armee einzuschleichen und dort demoralisierend zu wirken. Das war nahezu unmöglich bei allen jenen Einheiten, die in den Betrieben zusammengestellt waren, wo ein Arbeiter den anderen kannte und wo solche Arbeiter als Kommandeure gewählt wurden, die sich durch ihre Arbeit im Betrieb schon vorher Vertrauen und Autorität verschafft hatten.
Nicht jedermann konnte Soldat der Roten Armee werden. Die in allen Orten in Schulen, Turnhallen, Baracken, Amtshäusern, Hotels usw. eingerichteten Werbebüros der Roten Armee stellten nur Leute ein, die mindestens Soldat gewesen waren und ein halbes Jahr Fronterfahrung besassen. Ferner mussten sie frei organisiert sein oder einer der drei Arbeiterparteien angehören. Sie stellten die Soldaten zu Kompanien zusammen, bewaffneten sie, gliederten sie der Roten Armee ein und schickten sie an die Front.
Fast allen Kompanien waren Spezialkräfte, wie Artilleristen, Maschinengewehrschützen, Radfahrer, Kuriere, Sanitäter usw., zugeteilt. Daneben gab es Sonderformationen, wie Maschinengewehr-, Radfahrer- und Sanitätskompanien. Bezeichnend für den Geist der Roten Armee sind auch die Namen der Kompanien. Sie nannten sich nach bekannten Führern der Arbeiterbewegung, wie Luxemburg, Liebknecht, Bebel (diese Tradition wurde von den Interbrigaden in Spanien fortgeführt), nach ihren Kompanieführern und Heimatorten. Allein Essen stellte zuletzt 17 Kompanien.
In der Roten Armee waren alle politischen und gewerkschaftlichen Richtungen vertreten. Diese Tatsache zeigt die Geschlossenheit der Arbeiter. Sie ist zugleich ein schlagendes Argument gegen alle die, die von einem kommunistischenPutsch faselten. Die folgenden Zahlen über die Zusammensetzung der Roten Armee sind in dreierlei Hinsicht nicht ganz zuverlässig; erstens erfassen sie nur eine sehr beschränkte Zahl von Kämpfern (sie stammen aus den Listen einer Unterstützungsaktion für die Hinterbliebenen der Gefallenen, wo bei 374 die gewerkschaftliche und bei 149 die politische Zugehörigkeit angegeben war), zweitens wechselte die Zusammensetzung der Roten Armee in den einzelnen Phasen des Kampfes , und drittens war die Zusammensetzung nicht überall gleichmäßig, sondern lokal verschieden.
Gewerkschaften: | | |
Freie Gewerkschaften | 53,2 | % |
Christliche und Hirsch-Dunckersche Gewerkschaften | 1,9 | % |
Freie Arbeiter-Union | 44,9 | % |
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Parteien: | | |
KPD | 30,9 | % |
USPD | 58,4 | % |
SPD | 10,7 | % |
Trotz der oben gemachten Einschränkungen zeigen diese Zahlen, welch breite Basis die rote Armee besass.
Eine besonders große Rolle spielte in der Roten Armee die Arbeiterjugend, die in den Ruhrkämpfen eines der heroischsten Kapitel ihrer Geschichte schrieb. Daneben machten die älteren, erprobten Kämpfer einen hohen Prozentsatz aus. Zum Beispiel waren von etwa 2.000 später Unterstützten 58 Prozent Verheiratete mit durchschnittlich 2,6 Kindern; von 154 Gefangenen war die Hälfte über 25 Jahre alt; von 231 Gefallenen waren 49 Prozent verheiratet.
Wenn auch die überwiegende Mehrzahl der Rotarmisten Deutsche waren, so finden wir doch in ihren Reihen auch eine ganze Anzahl Soldaten anderer Nationalität. Es waren nicht „zahlreiche russische Offiziere, die die Leitung des Unternehmens in der Hand“(46) hatten, wie ein konterrevolutionärer Schreiber behauptete, sondern russische Kriegsgefangene, die man damals noch im Ruhrgebiet festhielt. Bei Duisburg wurde daraus eine selbständige Kompanie aufgestellt, die unter der Führung eines ehemaligen Fähnrichs der zaristischen Armee stand. Bei Essen bildeten ortsansässige polnische Bergarbeiter eine eigene Kompanie. Es ist anzunehmen, dass auch Arbeiter anderer Nationalität, die im Ruhrgebiet arbeiteten, in den Einheiten der Roten Armee mitkämpften. Mithin war die Rote Armee nicht nur ein Vorbild proletarischen Kampfeswillens, sondern auch ein stolzes Beispiel internationaler Solidarität.
Reaktionäre Geschichtsschreiber und Journalisten haben die Tatsache, dass Ausländer - namentlich Russen - in der roten Ruhrarmee mitkämpften, immer wieder entstellend aufgebauscht. Die Meldung, Lenin habe auf dem Marktplatz in Dortmund gesprochen, setzte ihren Lügen die Krone auf. Trotzdem hat die Legende von der sowjetrussischen Führung der Arbeiterarmee ihre Ursache weniger in der bekannten Teilnahme von Russen an den Kämpfen als vielmehr darin, dass die Rote Armee eine straffe revolutionäre Disziplin entwickelte, mit ungeheurem Elan kämpfte und dabei bemerkenswerte organisatorische und strategische Leistungen vollbrachte. Diese Erscheinungen mussten bei Leuten, die das Proletariat bisher für unfähig hielten, selbständig zu handeln, naturgemäß dazu führen, dass sie überall russische Agitatoren, bolschewistische Funktionäre witterten. Nur mit der Anwesenheit sowjetischer Agenten konnten sie sich erklären, dass die Bewegung „nach russischen Muster“ mit „einem starken russisch-bolschewistischen Einschlag ..., nicht nur der Zielsetzung nach“(47) verlief. Behauptungen dieser Art sind derart haltlos, dass selbst Severing es als eine „unwahre Behauptung“ bezeichnen muss, „dass russische Offiziere in großer Zahl als Instruktoren in der Roten Armee tätig seien ...“(48)
Einen Faktor aber übersahen die bürgerlichen Autoren, der zweifellos einen großen anfeuernden und mobilisierenden Einfluss auf die Kämpfer der Roten Ruhrarmee hatte: die heldenhaften Kämpfe der Roten Armee Sowjetrusslands, die alle Angriffe der Interventionstruppen mit bewunderungswürdiger Kraft abschlug.
An dieser Stelle soll kurz auf eine andere Legende eingegangen werden, die sich um die Erfolge der Roten Ruhrarmee spann: die Legende von der vorbereitenten Organisation des Aufstandes und der Armee. Es wurde schon darauf hingewiesen, dass eine solche Vorbereitung nicht bestand. Ohne diese Vorbereitung von langer Hand konnten sich aber die Vertreter der herrschenden Klassen die Erfolge der Arbeiter nicht vorstellen, weil sie nicht an ihren Elan und ihre Schöpferkraft glaubten. Ungewollt mussten sie so die Leistungen der proletarischen Armeen anerkennen. So lesen wir: „Sie (die Kommunisten - O. H.) wären zweifellos nicht imstande gewesen, binnen weniger Tage eine solche Armee auf die Beine zu stellen, wenn sie nicht vorher alle Pläne genau aufgestellt gehabt hätten.“(49) „Wie gut der jetzige Aufstand bereits von langer Hand vorbereitet war, beweist die überaus schnelle Aufstellung der ,Roten Armee’ auch in den bis zuletzt ruhigsten westlichen Teilen des Regierungsbezirks. Vom ersten Augenblick an arbeitete ihre militärische Organisation ausgezeichnet. Die Ausrüstung nicht nur mit Waffen und Munition, sondern überhaupt mit allem zu einer regelrechten Kriegführung Notwendigen, von sachgemäß zusammengestellten Lastkraftwagenkolonnen anfangend, bis zum Tornister des einzelnen Kämpfers, ist vorzüglich und nur durch planmäßige Vorbereitung erklärlich. Die militärischen Führerstellen müssen seit langem vergeben und die gesamte Mobilmachung bis ins kleinste vorbereitet sein.“(50)
Über den Grad und die Art der Bewaffnung und der Ausrüstung der Roten Armee wurde im Bericht über den siegreichen Vormarsch der Arbeitertruppen schon einiges gesagt. Zusammenfassend kann man feststellen, dass die Rote Armee ihre Bewaffnung auf folgenden Wegen durchführte:
1. Bei Beginn der Kämpfe kamen einige Waffen ans Tageslicht, die die Arbeiter versteckt und über alle Razzien hinweg gerettet hatten. Das waren die ersten Waffen, aber nur wenige.
2. In den ersten Tagen wurden in vielen Orten die Bürgerwehren, Schützenvereine, Kriegerverbände usw. entwaffnet. Ein originelles Beispiel dafür bringt Colm: „Von einem Ort wird berichtet, dass die Mitglieder der Einwohnerwehr hauptsächlich Bauern waren, die der Arbeiterschaft nicht günstig gesinnt waren. Es wurde nun von seiten der Arbeiterschaft eine Versammlung einberufen, und da mussten die Redner solange zu den Bauern sprechen und sie zu fesseln suchen, bis ihnen die Führer der Arbeiterschaft die Nachricht bringen konnten, dass der Zweck erfüllt, dass man sämtliche Waffen während der Abwesenheit der Bauern geholt hatte.“(51)
3. Den Hauptteil der Waffen und Munition eroberten sich die Arbeiter im Kampf durch die Entwaffnung der Truppen und durch die Beschlagnahme der Waffendepots.
4. In den Zechen beschlagnahmte die Rote Armee Sprengstoffe für ihre Gefechte in ausreichenden Mengen.
5. Alle Waffenscheine wurden für ungültig erklärt und die Einwohner aufgefordert, alle Waffen, einschließlich der Jagdwaffen, abzuliefern. Diese Maßnahme diente gleichzeitig der Sicherung des Hinterlandes.
6. Höchst bemerkenswert ist der Versuch der Arbeiter, in den Kruppwerken von sich aus mit der Herstellung von Munition für die Rote Armee zu beginnen.
Aus den genannten Quellen gelang es, die Rote Armee auf dem Höhepunkt der Kämpfe gut zu bewaffnen und mit Munition zu versorgen. Selbst zwei Flugzeige befanden sich in ihrem Besitz, die zur Aufklärung und zum Abwurf von Flugblättern verwendet wurden.
Die Kampfmoral der Roten Armee
„Es ist die älteste Methode der Konterrevolution, Revolutionäre und Aufständische mit kriminellen Verbrechern auf eine Stufe zu stellen. Das hat sich in allen Revolutionen der Weltgeschichte gezeigt. Je gefährlicher eine aufständische Truppe ist, um so schurkischer ist die Infamie, die die Konterrevolution zu ihrer Diskreditierung anwendet.“(52)
Die Werke der reaktionären Autoren, die sich mit der Ruhrarmee befassen, sind eigens zu dem Zwecke geschrieben, die Arbeitersoldaten als Plünderer, Räuber und Mörder darzustellen. Ihre Hauptmittel dazu sind Erfindung, Lüge, maßlose Übertreibung, Entstellung und Mitteilung halber Wahrheiten. Indem die ganze Rote Armee mit einzelnen unsauberen Elementen identifiziert wird, sollen gleichzeitig die Gräueltaten der konterrevolutionären Truppen verniedlicht und gerechtfertigt werden.
Untersuchen wir einige Beispiele. Vom 18. zum 19. März wurde um Stoppenberg, einen Vorort Essens, ein äußerst erbitterter Kampf geführt, an dem von seiten der Roten Armee etwa 3.000 Mann beteiligt waren. Der Lobredner der rheinischen Monopolherren, Spethmann, zählt die später angemeldeten Schadensfälle auf, um zu beweisen, dass „während der Kämpfe in der unglaublichsten Art geplündert“ wurde. Er verzeichnet: „27 Fälle von Schäden an beweglichen Sachen, 40 Hausschädenfälle, 10 Fälle von Schäden an Leib und Leben und 15 von Diebstählen, Raub und Plünderung.“(53) Auf den ersten Blick erkennt man, dass die drei ersten Kategorien auf die Kampfhandlungen selbst zurückzuführen sind, also mit der Kampfmoral der Roten Armee nichts zu tun haben; bleiben 15 Fälle, bei denen die Möglichkeit (mehr nicht) besteht, dass sie von Angehörigen der Arbeitertruppen verursacht wurden. Damit bricht Spethmanns hohle Argumentation zusammen; sie kann höchstens aussagen, dass sich in die Rote Armee einige wenige trübe Elemente eingeschlichen hatten. Spethmann will ja sogar wissen, wo diese herkommen. Er berichtet, dass man die Gefängnisse öffnete und deren Insassen bewaffnete. Er verschweigt aber dabei, dass es sich um politische Gefangene handelte und nur zufällig Kriminelle freigelassen wurden. Auch die dazu wesentliche Feststellung Colms, „dass die Arbeiterwehren sich die größte Mühe gaben, die befreiten oder entsprungenen Verbrecher wieder festzunehmen“(54), lässt er außer acht.
Es ist natürlich, dass sich dunkle Elemente in die Rote Armee einzuschleichen oder während der Kampfeswirren zu bereichern suchten. Schon im Kommunistischen Manifest warnen Marx und Engels vor dem „Lumpenproletariat, dieser passiven Verfaulung der untersten Schichten der alten Gesellschaft“, das „durch eine proletarische Revolution stellenweise in die Bewegung hinein geschleudert“ wird; „seiner ganzen Lebenslage nach wird es bereitwilliger sein, sich zu reaktionären Umtrieben erkaufen zu lassen.“(55)
Infolge des überraschenden, spontanen Ausbruchs des bewaffneten Kampfes machten sich diese Elemente frühzeitig bemerkbar. Schon im Zusammenhang mit den Gefechten um Wetter und Herdecke stellte ein Funktionär der USPD fest: „Leider machte sich in diesem Kampf hinter unserer Front bereits ein Marodeurtum bemerkbar, das der Arbeiterklasse später an die Rockschöße gehängt wurde, mit dem sie aber in Wirklichkeit nichts zu tun hatte. Wir mussten damals auf die Marodeure schießen lassen.“(56)
Die Rote Armee erkannte die Gefahr, die ihr durch Plünderer drohte, und ging rücksichtslos gegen sie vor. In einem Reglement der Roten Armee lesen wir: „Jedermann, welcher der Roten Armee beigetreten ist, hat sich auf den Boden des revolutionären Proletariats gestellt. Wem nachgewiesen wird, dass es nur aus unlauteren Absichten (geschah - O. H.), die unsere heilige Sache schädigen könnten, (gegen den - O. H.) wird mit der strengsten Strafe vorgegangen (Todesstrafe).“(57) Nach der Erstürmung Essens wurde dort ein Flugblatt der Roten Armee verbreitet, in dem es hieß: „Rauben, Marodieren und Plündern wird mit dem Tode bestraft.“(58) Dass diese Warnungen nicht nur auf dem Papier standen, zeigen folgende Beispiele: In einem Falle wurde eine regelrechte Räuberkompanie von revolutionären Arbeitersoldaten aufgerieben. In Essen wurden von der Arbeiterwehr Plünderer niedergeschossen, die versuchten, in ein Geschäft einzudringen. Als Organ gegen solche Erscheinungen wurde an fast allen Fronten eine Rote Feldgendarmerie geschaffen. Das Ergebnis dieser Maßnahmen war, dass sogar bürgerliche Darstellungen nicht umhinkönnen, zuzugeben: „Wilde Plünderungen, die man befürchtet hatte, unterblieben.“ Ebenso hat sich die Rote Armee „blutige Gewalttaten ... nicht zuschulden kommen lassen“.(59) Der amerikanische Journalist MacDonald, der noch während der Kämpfe im Ruhrgebiet weilte, schreibt: „Es gab keine Plünderungen, kein Beutemachen und keine allgemeine Unordnung, die es wert wären, dabei zu verweilen.“(60)
Weiter wird der Roten Armee die grausame Behandlung ihrer Gefangenen vorgeworfen. Dem stellen wir zwei Erklärungen gefangener Reichswehrsoldaten gegenüber, die besagen, dass sie „wohl scharf bewacht, aber anständig behandelt“(61) wurden. „Wir bemerken ausdrücklich, dass auch die umlaufenden Behauptungen, wir seien nach unserer Waffenstreckung durch die Arbeitertruppen scheußlich behandelt und misshandelt worden, unwahr sind, dass jede gegenteilige Behauptung auf keiner Mitteilung der Soldaten beruhen kann.“(62)
Die Maßnahmen der Konterrevolution zur Abwürgung der revolutionären Aktion
Der Verrat der rechten SPD- und USPD-Führung
Während des siegreichen Vormarsches der Roten Armee waren ihre Feinde nicht müßig gewesen. Sie unternahmen im Gegenteil alles, um den Siegeszug der Arbeiterarmee aufzuhalten und sie zu vernichten. In brüderlicher Eintracht gingen dabei Rechtssozialdemokraten und Militaristen gemeinsam als Kettenhunde des Finanzkapitals vor.
Vom ersten Tage an übten die rechtssozialistischen Führer Verrat an den Interessen der Arbeiterklasse. Ihr Ziel war nicht, den Sieg der Arbeiter sicherzustellen, sondern auf keinen Fall die Führung der Aktion zu verlieren, um sie bremsen zu können. Zu diesem Zwecke widersetzten sie sich der von den Kommunisten geforderten Bildung von revolutionären Arbeiterräten durch Wahlen und bildeten an deren Stelle Aktions- und Vollzugsausschüsse durch Vereinbarungen der Parteivorstände unter Einbeziehung der Koalitionsparteien. Das entsprach genau den Wünschen Severings und Watters.
Diese rechtssozialistisch orientierten Räte und Ausschüsse versuchten teilweise schon vor dem Rücktritt Kapps und der Wiedereinsetzung der Ebert-Regierung oder doch gleich danach, den Generalstreik abzubrechen. Am 16. März erschien schon ein Aufruf - Mitunterzeichner war der USPD-Funktionär Herbrig aus Gelsenkirchen -, der den Arbeitern riet: „Die Waffe des Generalstreiks schneidet auch ins eigene Fleisch. ... darum Schluss mit dem Generalstreik. Morgen, Mittwoch, arbeiten alle Betriebe und Zechen.“(63) Hier wirkte sich offensichtlich der Beschluss der „Arbeitsgemeinschaft zwischen Zechenleitern und Bergarbeitern“ vom 16. März aus, die Arbeit wiederaufzunehmen.(64)
Am 18. März kam auch der Aktionsausschuss in Hagen, der in der Hand der USPD war, dem Wunsche der wieder eingesetzten alten Regierung nach und brach den Generalstreik ab, wenn auch vorläufig nur für die nicht unter Waffen stehenden Arbeiter. Stolz verkündet Severing das Ergebnis dieser Machenschaften: „Gegen Schluss der ersten Kampfwoche waren nicht nur 80 Prozent der Zechen wieder in vollem Betriebe, sondern es wurden auch wieder Überschichten verfahren.“(65)
Die Zahl der streikenden Bergarbeiter ging folgendermaßen zurück:
Am 18. März auf 146.341 = 33,71 Prozent,
am 19. März auf 108.526 = 25,00 Prozent,
und am 20. März auf 64.030 = 14,75 Prozent.
Das war der erste Schritt zur Demoralisierung des Ruhrproletariats. Einen weiteren starken Stoß erhielt die Aktionseinheit der Arbeiter durch den Abbruch des Generalstreiks im Reich und in Berlin durch die Berliner Zentralen der SPD, USPD und der Gewerkschaften am 22. März.
Zudem trug die USPD vom ersten Tage an falsche, scheinrevolutionäre Losungen in die Arbeiterschaft, die viele Arbeiter irreführten und eine der Hauptursachen für die spätere Verwirrungen waren.
Schon am 13. März schrieb Ernst über die Lage: „Lieber die Entente als die Reichswehr, war der Grundton, welcher die Parteifunktionäre (der USPD - O. H.) beherrschte.“(66) Diese völlig falsche Haltung in der nationalen Frage tauchte in der USPD nicht erst jetzt auf.(67) Bereits am 30. Januar 1929 bemerkt der Staatssekretär für öffentliche Ordnung in seinem Bericht im Zusammenhang mit der rheinischen Separatistenbewegung, dass „sich jetzt auch die Unabhängigen ... guter Beziehungen zu den französischen Machthabern rühmen“.(68) Mit dieser Absicht, sich im Kampf gegen die deutsche Bourgeoisie der Hilfe der französischen Imperialisten zu bedienen, machten sich die rechten USPD-Funktionäre zu Handlangern der annektionslüsternen französischen Bourgeoisie und stellten sich praktisch auf eine Stufe mit den landesverräterischen Separatisten, in deren Spitze schon damals Adenauer eine Rolle spielte. Als später französische Vertreter versuchten, den kommunistisch orientierten Zentralrat zu veranlassen, die Besetzung des Ruhrgebietes durch die Entente zu fordern, hat dieser ein solches Ansinnen strikt abgelehnt. Es haben aber von Vertretern der USPD solche Verhandlungen stattgefunden. Es war bei ihnen sogar die Absicht vorhanden, mit Hilfe der Entente eine rheinisch-westfälische Räterepublik auszurufen. Selbst am 5. April trugen sie sich noch mit diesen Gedanken. Solche Maßnahmen mussten den Kampf der Arbeiter stark diskreditieren und sie isolieren.
Über eine andere, ebenso falsche und gefährliche Losung schreibt Ernst: „... alle Vorbereitungen zu einer verzweifelten Abwehr wurden von uns in die Wege geleitet. Riesige Dynamitmengen waren durch unsere Bergleute beschafft worden. In den Kreisen der Kampftruppen des Hagener Bezirks herrschte der Wille, selbst vor Sabotage nicht zurückzuschrecken, wenn die Reichswehr den Vormarsch antreten sollte.“(69) Dieser Gedanke, beim Einmarsch der Soldaten die Bergwerke in die Luft zu sprengen, fiel vor allem bei den Syndikalisten auf fruchtbaren Boden. Obwohl auch dieser Plan wegen des Widerstandes der kommunistisch orientierten Arbeiter nicht zur Ausführung kam, stieß er doch viele besonnene Arbeiter, die nicht zur Zerstörung ihrer Arbeitsstätten bereit waren, ab. Auf der anderen Seite führte diese Taktik der USPD zu einer falschen, fehlgeleiteten Radikalisierung anderer Arbeiterschichten und begünstigte auftauchende Tendenzen zur Panikstimmung.
Um ihre verräterische Politik erfolgreich durchführen zu können, versuchte die rechte USPD-Führung die Leitung des gesamten Aufstandes zu übernehmen. Schon in den ersten Kampftagen bildete sich in Hagen unter der Führung der USPD eine militärische und eine politische Zentrale. Diese an sich notwendige und der Koordinierung des Kampfes dienliche Maßnahme kehrte sich aber in ihr Gegenteil um, als die Hagener sich weigerten, mit den später in Mülheim und Essen entstandenen Leitungen zusammenzuarbeiten. Sie beanspruchte nach wie vor die allgemeine Leitung des Kampfes. Die Hagener Zentralen waren nicht durch Wahlen, sondern durch Verhandlungen mit den örtlichen Parteileitungen entstanden. Die USPD lehnte es ab, die Leitungen durch die Vollversammlung der Vollzugsräte bestätigen zu lassen. Die Ursache für eine derartige Haltung der rechten USPD-Führer war die Furcht, ihre führende Stellung zu verlieren.
Trotz aller Bemühungen konnten sie aber nicht verhindern, dass ihnen die Bewegung immer mehr aus den Händen glitt. Sie versuchten daher, die Kämpfe durch Verhandlungen zu beenden. Darin wurden sie bestärkt, als nach der Wiedereinsetzung der Koalitionsregierung die daran beteiligten bürgerlichen Parteien und die Gewerkschaften (außer den freien) am 19. März aus den Aktionsausschüssen zurücktraten.
Gar zu gern hätten sich die rechten USPD-Führer diesem Schritt angeschlossen. Aber noch ließ es die Kampfentschlossenheit der Arbeiter nicht zu, die Maske fallen zu lassen. Das hätte den völligen Verlust jeglichen Einflusses auf den konsequentesten Teil des Proletariats bedeutet. So mussten sie sich vorläufig damit begnügen, die Front zu desorganisieren (zum Beispiel verweigerte die Hagener Zentrale den vor Wesel stehenden Truppen ihre Unterstützung) und durch Verhandlungen zunichte zu machen, was die Arbeiter im Begriff waren zu erkämpfen.
Das am 20. März an Bauer gesandte Telegramm, in dem sie versicherten: Wir stehen „auf legalem Boden“(70), war praktisch ein Verhandlungsangebot und wurde auch als solches aufgefasst. Bauer versprach in der Antwort vom 21. März die Entsendung von zwei Reichsministern ins Ruhrgebiet. „Anheimstelle, weiteres mit Ihnen zu verhandeln.“(71)
Hatten so die rechten Führer der USPD versucht, mit scheinradikalen Worten die Bewegung in falsche Bahnen zu lenken, die wirkliche revolutionäre Bewegung zu bremsen und die Einheit der Arbeitersoldaten zu untergraben, so waren die Feinde der Arbeiter auch außerhalb des Ruhrgebietes nicht müßig gewesen.
Die militärische Einkreisung des Ruhrgebietes
Sofort nach Bildung der Roten Armee setzte Watter alles daran, Truppen um das Ruhrgebiet zu konzentrieren, um mit Hilfe eines großen militärischen Übergewichtes unter den Rotarmisten ein Blutbad anzurichten. Dadurch sollte die Reichswehr der Bourgeoisie erneut als unentbehrliches Instrument vorgeführt und ihre Daseinsberechtigung bekräftigt werden.
Das Haupthindernis dafür stellte der Streik dar, durch den Truppenbewegungen mit der Eisenbahn verhindert wurden. Die rechtssozialistischen Arbeiterverräter beseitigten dieses Hindernis durch die Aufhebung des Generalstreiks. Aber schon vorher hatte Severing als treuer Diener der Imperialisten alles getan, um Watter die Truppenkonzentration zu erleichtern. Er selbst schreibt, dass er schon vor dem 17. März „täglich zu tun“ hatte, „um den Eisenbahnern die Lage im Bezirk auseinanderzusetzen und sie zu bestimmen, den Truppentransporten keine Schwierigkeiten zu bereiten“.(72) Dabei spielte es für ihn keine Rolle, dass noch am 25. März die anfahrenden Truppen schwarzweißrote Fahnen führten.
So wurde um das Ruhrgebiet ein Kordon konterrevolutionärer Truppen gezogen, die größtenteils aktiv auf Kapps Seite gestanden hatten. Die herangeführten Einheiten kamen aus allen Teilen des Reiches. Die wichtigsten seien aufgezählt. Neben den Watter schon vorher unterstehenden Einheiten waren das
aus dem Norden und Osten des Reiches:
Freikorps Faupel
Freikorps Aulock
Freikorps Kühme
Detachement Oberschlesien
Detachement Ostsee
Marinebrigade Collvenfeld, stärkstes Korps, 8.000 Mann
aller Waffengattungen,
aus dem hannoverschen Gebiet des Wehrkreises Münster:
Sturmbataillon Hindenburg
Korps Göttingen
Kavallerieabteilung Königsegg
MG- Abteilung Plettenberg
aus dem Süden des Reiches:
Bayerische Schützenbrigade Epp, etwa drei Regimenter
Württembergische Reichswehrbrigade 13, etwa 3 Regimenter
Detachement Oven.
Aus allen Einheiten wurden vier Divisionen gebildet, die mit Artillerie, Panzern, Panzerzügen, Flugzeugen usw. ausgestattet waren. Sie marschierten im Norden und Osten des Ruhrgebietes auf. Aber nicht nur Reichswehr wurde herangeholt. Am 23. März wurde zum Beispiel der Rektor der Universität Halle aufgefordert, aus der halleschen Studentenschaft Freiwillige für die Akademische Wehr in Münster zu werben, „um die Heimat vor bolschewistischen Unruhen zu schützen“.(73) Die Akademische Wehr Münster nahm in einer Stärke von drei Bataillonen an den Kämpfen teil. Auch aus Göttingen, Hannover und Süddeutschland trafen Studentenformationen ein. Nicht zu vergessen sind die zahlreichen Zeitfreiwilligen-Bataillone.
Aber der Anmarsch der Truppen ging nicht rasch vonstatten, wie Watter und Severing es wünschten. Obwohl sich letzterer „Tag und Nacht bemühte, dabei auftauchende Schwierigkeiten aus dem Wege zu räumen, ... nahmen die Transporte längere Zeit in Anspruch“.(74) Außerdem war die Regierung nach den letzten Erfahrungen mit der Kampfkraft und Einsatzfähigkeit der Reichswehr gegen die Arbeitertruppen wenig geneigt, die beste Stütze ihres Machtapparates aufs Spiel zu setzen. Deshalb wurde wieder Severing vorgeschickt.
Nicht, dass Severing gegen den Einsatz von Militär gewesen wäre, aber er „wolle unter gar keinen Umständen bei dem Einsatz ungenügender militärischer Kräfte mitwirken, da das zu einer weiteren Schwächung der Staatsautorität, zu einem neuen ermunternden Erfolge der Aufrührer geworden wäre“.(75) Seine Aufgabe sah er darin, die Arbeiter bis zur Konzentration genügender Truppenmengen durch Verhandlungen aufzuhalten, sie nach bewährter Methode durch Versprechungen zu spalten und so geschwächt der Soldateska Watters auszuliefern.
Am 21. März erließ er einen Aufruf, in dem er heuchlerisch versicherte, „dass keine Truppen in das Ruhrrevier entsandt werden“. Seine Forderungen waren: „Kehrt zur Arbeit zurück! ... Liefert den Behörden die Waffen ab!“(76) Dieses demagogische Manöver war die Einleitung Severings zu den Bielefelder Verhandlungen.
Die Bielefelder Verhandlungen
Für den 23. März 1920 lud Severing Vertreter der Vollzugsausschüsse und der Stadtverwaltungen der Hauptstädte des Industriegebietes nach Bielefeld ein. Es nahmen an den Verhandlungen neben zwei Reichsministern Vertreter der SPD, der USPD, der freien und christlichen Gewerkschaften, des Zentrums und der Demokratischen Partei teil. Auch zwei Mitglieder der KPD, die dazu in keiner Weise bevollmächtigt waren, hatten sich entgegen den Weisungen der Partei zur Teilnahme verleiten lassen. Die beiden Hauptparteien aber, die Reichswehr und die Rote Armee, waren nicht vertreten und unterzeichneten auch die Verträge nicht. Durch das Fehlen konsequenter Verfechter der Arbeiterinteressen einigten sich die Parteien ohne große Schwierigkeiten. Andererseits war die Reichswehr an die Abkommen nicht gebunden.
Das Ziel der Verhandlungen war nach Severing, „die Teile der Arbeiterschaft der Aufruhrbewegung zu entziehen, die sich nur zum Schutze der Verfassung ihr angeschlossen hatten ...“, und „die Entwaffnung aller derjenigen Personen, die nicht zum Waffentragen befugt“(77) waren.
Das erste Ergebnis der Verhandlungen war ein Waffenstillstandsabkommen. Am 23. März abends wurde beschlossen:
„Die Gruppe Wesel der Reichswehr steht nördlich der Lippe, die Gruppe Münster liegt mit rechtem Flügel bei Buldern, dicht Münster und östlich von Münster. Kein Soldat steht so weit südlich, dass, falls Gegner seine Bewegungen hält, es heute und auch morgen zu Zusammenstößen kommen kann. Die Arbeitertruppen sind zurückzunehmen bis südlich der Lippe, weitere Posten nach Wesel werden zurückgenommen auf Dinslaken-Hünxe-Dorsten. Die Orte nördlich der Lippe bleiben dort ungestört von Reichswehrtruppen. Die Wehren rücken in ihre Standorte ab. Für diese Abmachungen gilt die 24stündige Kündigungsfrist.“(78)
Diese Bedingungen schufen für die Reichswehr die Voraussetzungen, ihre Kräfte ungestört für den Angriff auf das Ruhrgebiet zu formieren, für die Rote Armee aber die Notwendigkeit, ihre starken Vorposten, die weit über die Lippe vorgestoßen waren, zurückzunehmen und dazu den Westflügel ihrer Front (Abschnitt vor Wesel) um 10 bis 12 Kilometer zurückzuziehen. Der Waffenstillstand sollte also den Noskegarden den Weg bereiten.
Am nächsten Tage wurde dann das „Bielefelder Abkommen“ unterzeichnet. Darin wurden die Arbeiter durch Versprechungen „beruhigt“, durch dieselben Versprechungen mit denen in Berlin am 22. März der Abbruch des Kampfes herbeigeführt worden war. Wie in Berlin wurden auch hier keinerlei Garantien für ihre Einhaltung durch die Reichswehr und die Regierung gegeben. Wie wenig selbst Severing an eine Einhaltung der Abmachungen dachte, zeigt folgendes Beispiel:
Im Abkommen wird von den Arbeitersoldaten die „sofortige Abgabe der Waffen und Munition“ verlangt. Dafür wurde ihnen die „Auflösung aller der Verfassung nicht treu gebliebenen konterrevolutionären militärischen Formationen“ versprochen. Schon vor den Bielefelder Verhandlungen aber erklärte Severing, dass niemand „zur Bekämpfung der von den Kommunisten bewaffneten Verbrecher ein anderes Mittel in Anwendung bringen könne, wie das der bewaffneten Macht ... Wer die Anarchie im Ruhrbezirk nicht wolle, musste sich jetzt der Reichswehr als Instrument der Republik bedienen.“(79)
Mit seiner ganzen Person setzte er sich dafür ein, dass Watter auf seinem Posten belassen wurde. Seine Worte: „Wo waren die Truppen, die in jenen Tagen einem sozialistischen Führer gehorcht hätten ...“(80), zeugen davon, dass sich nicht die Reichswehr in der Hand der Regierung, sondern die Regierung in der Hand der Reichswehr befand. Die Konterrevolution dachte gar nicht daran, die Reichswehr aufzulösen.
In diesem Moment, als alle Parteien mit der Unterzeichnung des Bielefelder Abkommens den kämpfenden Arbeitern in den Rücken fielen, um sie um den Lohn ihres Kampfes zu betrügen, schickte die Zentrale der KPD ihr Mitglied Wilhelm Pieck ins Ruhrgebiet. Das Ziel der Tätigkeit Wilhelm Piecks war, „eine möglichst geschlossene Kampffront der Arbeiter herbeizuführen, um durch die Wahl der politischen Arbeiterräte und des Zentralrats zu verhüten, dass die verschiedenen Instanzen sich widersprechen ... und Verwirrung unter die Arbeiter tragen“.(81)
Am 25. März, kurz nach seiner Ankunft, empfahl er der in Essen tagenden Vollversammlung der Vollzugsräte des Ruhrgebietes und der Gefechtsleiter, sofort einen zentralen Arbeiterrat zu wählen, der die oberste Leitung des politischen Kampfes übernehmen sollte. Die Vertreter aus 70 Orten des Ruhrgebietes wählten einen sechzehnköpfigen Zentralrat, der aus sieben Kommunisten, acht Mitgliedern der USPD (meist linken) und einem Mehrheitssozialisten bestand. Er wurde von der Vollversammlung zu „entscheidenden Verhandlungen und Beschlüssen“(82) ermächtigt.(83)
Unter der Führung der Kommunisten nahm der Zentralrat sofort seine Tätigkeit gegen die verderblichen Auswirkungen des Bielefelder Abkommens auf.
Ein Auszug: Otto Hennicke: Die Rote Ruhrarmee. Verlag des Ministeriums für Nationale Verteidigung, Berlin 1956.
Anmerkungen
46) W. Reetz, Der rote Vormarsch; in: Jünger, Der Kampf um das Reich, Essen, S. 197.
47) Egelhaafs Historisch-politische Jahresübersicht für 1920, Stuttgart 1921; S. 98. Colm, a. a. O., S. 48.
48) Severing, 1919-1920 im Wetter- und Watterwinkel, a. a. O., S. 195.
49) Spektator, Die Schreckenstage im rheinisch-westfälischen Industriebezirk, Hannover 1920, S. 3.
50) Aus einem Bericht des Regierungspräsidenten, zitiert bei Spethmann, a. a. O., S. 31.
51) Colm, a. a. O., S. 29/30.
52) Brauer, a. a. O., S. 83.
53) Spethmann, a. a. O., S. 73 und 74.
54) Colm, a. a. O., S. 54.
55) Karl Marx und Friedrich Engels, Ausgewählte Schriften in zwei Bänden, Band I, Berlin 1951, S. 33.
56) Ernst, a. a. O., S. 16.
57) Spethmann, a. a. O., S. 169/170.
58) Brauer, a. a. O., 83/84.
59) Averdunck-Ring, Die Geschichte der Stadt Duisburg, Essen 1927, S. 393 und 400.
60) William MacDonald, Communism in the Ruhr, „The Nation“, New York, 1.5.1920, Vol. 110, Nr. 2861, S. 585 („There was no plundering, looting or general disorder worth dwelling upon.“).
61) Düwell, a. a. O., S. 48.
62) Severing, 1919-1920 im Wetter- und Watterwinkel, a. a. O., S. 148.
63) Spethmann, a. a. O., S. 51 (Faksimile).
64) Durch diese Arbeitsgemeinschaft nahmen die rheinischen Monopolherren direkten Einfluss auf die Arbeiterbewegung. Den oben erwähnten Beschluss legte Hugo Stinnes vor. Er wurde unterzeichnet von Vertretern des Verbandes der Bergarbeiter Deutschlands, des Gewerkvereins christlicher Bergarbeiter, der Polnischen Berufsvereinigung, Abt. Bergarbeiter, des Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereins der Fabrik- und Handarbeiter, Abt. Bergarbeiter, der Arbeitsgemeinschaft freier Angestelltenverbände, des Gesamtverbandes deutscher Angestelltengewerkschaften, des Gewerkschaftsbundes der angestellten und vom Vertreter des Zechenverbandes, Wiskott.
65) Severing, 1919-1920 im Wetter- und Watterwinkel, a. a. O., S. 161.
66) Ernst, a. a. O., S. 7.
67) Ernst, a. a. O., S. 36: „Schon in den ersten Kampftagen waren Vertreter der Engländer und Franzosen in Hagen, um sich bei uns über den Gang der Kämpfe und deren Ziele zu informieren. Auch hatten wir nach den ersten Kampftagen die Spitzen der Behörde in Begleitung aller Koalitionsparteien nach Köln gesandt, um auf dem Verhandlungswege die Entente über unsere Abwehrbewegungen zu unterrichten.“
68) Bericht des Staatskommissars für öffentliche Ordnung, vom 30. Januar 1920, Landeshauptarchiv Magdeburg, Rep. C 20 I b, Nr. 4788, Vol. 1, S. 91.
69) Ernst, a. a. O., S. 31.
70) Ebenda, S. 27.
71) Ebenda, S. 31.
72) Severing, 1919-1920 im Wetter- und Watterwinkel, a. a. O., S. 169.
73) 450 Jahre Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Bd. 2, S. 232 (Faksimile).
74) Carl Severing, Mein Lebenswerk, Bd. I, Köln 1950, S. 261.
75) Severing, 1919-1920 im Wetter- und Watterwinkel, a. a. O., S. 172.
76) Spethmann, a. a. O., S. 101/102.
77) Severing, 1919-1920 im Wetter- und Watterwinkel, a. a. O., S. 172./173 u. 175.
78) Ebenda, S. 176.
79) Ebenda, S. 180.
80) Ebenda, S. 181.
81) Die Stellung der KPD zum Abbruch der bewaffneten Kämpfe im rheinisch-westfälischem Industriegebiet; „Die Kommunistische Internationale“, 2. Jahrgang, 1920, Heft 15, S. 522.
82) Colm, a. a. O., S. 106.
83) Auf einer neuen Vollversammlung der Vollzugsräte am 28. März in Essen, auf der 110 Delegierte aus 58 Orten (40 KPD, 48 USPD, 21 SPD, 1 Demokr. Partei) anwesend waren, wurde eine Erweiterung des Zentralrats beschlossen. Es wurden je ein Vertreter der 18 größten Städte, der Linksparteien, Gewerkschaftssektionen und proletarischen Massenorganisationen hinzu gewählt. Um die Konflikte mit der Hagener Zeitung beizulegen, wurde auch Ernst (Hagen) hineingewählt. Er verweigerte aber seine Mitarbeit.
Durch einen Beschluss der Vollversammlung vom 1. April 1920 (280 Delegierte aus 94 Orten und Kreisen, davon 109 KPD, 113 USPD, 56 SPD, 2 Syndikalisten, Vertreter der Bezirksleitungen der Parteien) setzte sich der Zentralrat „aus 16 Vertretern der Vollzugsräte, je einen Vertreter der drei politischen Parteien der Arbeiterschaft, des Aktionskomitees, der freien Gewerkschaften der Arbeiterunionen, der genossenschaftlichen Organisationen und der Eisenbahner des Industriegebiets“ (Die Stellung der KPD ..., a. a. O., S. 519) zusammen.
In Folge: Die Auswirkungen des Bielefelder Abkommens auf die Rote Armee. Der klassenbewusste Teil des Ruhrproletariats schart sich um die KPD. Der Einmarsch der Reichswehr und die Auflösung der Roten Armee.
VON: OTTO HENNICKE, BEREITGESTELLT VON REINHOLD SCHRAMM
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