Zu den verfassungsrechtlichen Problemen des linksunten-Verbotes
von Achim Schill (mit Unterstützung von DGS)
Durch das Urteil des BVerwG im Januar dieses Jahres[1] hat sich die rechtliche Lage in Bezug auf Einwendungen gegen das – am 25. August 2017 öffentlich bekannt gemachte – linksunten-Verbot erheblich verändert. Die Verbotsverfügung des Bundesinnenministeriums (BMI) von 2017 war noch explizit gegen eine internet-Plattform gerichtet (also gegen ein Medium)[2]. Demgegenüber hat nun das BVerwG kurioserweiser entschieden: „Regelungsgegenstand des Verbotsbescheids ist nicht das Verbot des unter der Internetadresse ‚linksunten.indymedia.org‘ betriebenen Veröffentlichungs- und Diskussionsportals“[3]. – Es sei also nicht das Medium (die Internetplattform linksunten.indymedia.org), sondern der HerausgeberInnenkreis verboten worden.
Dieses Ergebnis ist als ambivalent zu werten: einerseits ist erfreulich, dass das Verbot erheblich eingeschränkt wird; andererseits geschieht dies nur versteckt durch eine einschränkende Uminterpretation, – nicht durch eine ausdrückliche (zumindest teilweise) Aufhebung des Verbotes.
Daraus ergeben sich mehrere Probleme in Bezug auf die gegen das Verbot laufenden Verfassungsbeschwerden.
Die vermeintlichen BetreiberInnen haben eigentlich in Karlsruhe nichts mehr verloren, da sie sich ja nicht als solche bekennen (wollen). Damit besteht auch kein Anlass, die Rechtmässigkeit zu überprüfen (Warum sollten Leute das Recht haben, ein Verbot überprüfen zu lassen, von dem sie gar keinen Schaden haben, – weil sie gar nicht in Beziehung zum Verbotsobjekt standen?[4]). Der Hinweis, dass die vermeintlichen BetreiberInnen sich nicht selbst belasten müssen, ist zwar in strafrechtlicher Hinsicht richtig, aber in einem vereinsrechtlichen Verfahren sind eben nur diejenigen klagebefugt, die von dem Verbot einen Schaden haben (nach engerer Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts haben sogar nur die verbotenen Vereine, aber nicht deren Mitglieder einen Anspruch auf volle gerichtliche Überprüfung des Verbotes[5]). Zwar gäbe es auch gute Gründe, die diesbezügliche Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu kritisieren[6], aber zu diesem Thema ist bislang von den AnwältInnen der vermeintlichen BetreiberInnen nichts verlautet worden.
Aber auch bei den beiden Verfassungsbeschwerden von DGS[7] hat sich die Lage geändert. Während der erste Antrag auf Aufhebung des Verbotes beim BMI im wesentlichen auf das (verfassungswidrige) Medienverbot abstellte, ist diese Argumentation so – vorläufig – nicht mehr haltbar (durch das Urteil des BVerwG). Und in Bezug auf das Vereinsverbot ist auch ihre Sprechposition als (betroffene) LeserIn und AutorIn prekär, da sie (ebenfalls) nicht Mitglied des verbotenen 'Vereins' ist.
Allerdings hatte dgs in ihren Verfahren vor dem BVerwG ausdrücklich unter Beweis gestellt, dass
„daß
• linksunten.indymedia ein Medium
und
• (folglich) kein Verein war;
daß
• dieses Medium, d.h.: die unter der URL linksunten.indymedia.org erreichbare internet-Plattform, vom BMI durch Verfügung vom 14.08.2017 verboten wurde;
daß
• der HerausgeberInnen-Kreis dieses Mediums nicht ebenfalls linksunten.indymedia hieß, sondern ‚IMC linksunten‘ – und folglich nicht durch die genannte Verfügung verboten wurde.“ (Beweisanträge vom 13.12.2019, S. 2)
Diese Beweisanträge wurden vom Bundesverwaltungsgericht rundherum ignoriert (das Gericht ging in seinen Entscheidungen mit keinem Wort darauf ein); dgs rügt deshalb in Karlsruhe nun nicht nur inhaltlich das Ergebnis der Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts, sondern auch formell die Verletzung des Grundrechts auf rechtliches Gehör[8].
Sollte dies Erfolg haben und die Beweisaufnahme – wie zu erwarten – zu dem Ergebnis führen, dass das BMI 2017 sehr wohl die internet-Plattform verboten hatte (das hatte das Ministerium ja ausdrücklich erklärt und so wurde es von allen Medien berichtet), so würde auch die Position von dgs als AutorIn und LeserIn von linksunten wieder ins Spiel kommen.
Damit wären wir dann wieder beim ursprünglichen Ausgangspunkt: Verletzte die linksunten-Verbotsverfügung vom August 2017 die Grundrechte auf Meinungsäußerungs-, Presse- und Informationsfreiheit der LeserInnen und AutorInnen von linksunten?
Dieser Frage ging dgs in einer Verfassungsbeschwerde von Ende letzten Jahres in zwei Abschnitten nach:
• der Abschnitt „Verletzung von Art. 5 I, II GG“ wurde am Montag von labournet veröffentlicht: https://www.labournet.de/wp-content/uploads/2020/08/linksunten-vb0820.pdf;
• hier wird zusätzlich der Abschnitt zur Verfügung gestellt, der der Frage nachgeht: Ist eine Verletzung der genannten Grundrechte allein deshalb ausgeschlossen, weil das BMI das Medienverbot im Jahr 2017 als „Vereinsverbot“ deklarierte? Die Überschrift des hier dokumentierten Abschnittes lautet daher: „Möglichkeit der Verletzung von Art. 5 I GG[9] durch ein Vereinsverbot“.
https://links-wieder-oben-auf.net/wp-content/uploads/2020/08/VB_I_Art_5_u_Vereinsverbot_S_38_-_46.pdf