Ist die Forderung des Zentrarats der Juden nach stärkerer Bestrafung antisemitischer Umtriebe antisemitisch?

14.12.17
DebatteDebatte, Antifaschismus, TopNews 

 

Kommentar von A. Holberg

Die im Titel genannte Forderung ist natürlich nicht antisemitisch, sondern sogar richtig, aber ....

Der  Bonner General Anzeiger und vermutlich die meisten bundesdeutschen Zeitungen  berichtete um den 14.12.2017 herum über die Erklärung des Zentralrats Der Juden zu antisemitischen Umtrieben in Deutschland, aktuell im Zusammenhang mit großenteils von Arabern und Angehörigen anderer mehrheitlich muslimischen Volksgruppen getragenen Demonstrationen gegen die Ankündigung von US-Präsident Trump, die US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem, der "Hauptstadt Israels", zu verlegen.  Der GA allerdings veröffentlicht dankenswerter Weise gleichzeitig eine ebenso kurze wie treffende Definition des Begriffs "Antisemitismus ". "Antisemitismus" (oder richtiger, da u.a. die Araber und Äthiopiens Amharen  auch Semiten sind, "Antijudaismus" oder "Judenfeindlichkeit") ist die Feindlichkeit gegen Juden unabhängig von deren Taten und Gedanken, entweder weil sie der jüdischen Religionsgemeinschaft angehören oder weil sie vermeintlich Angehörige einer biologischen "Rasse" mit negativen Eigenschaften sind.

Während die Erklärung des Zentralrates sich diesbezüglich nicht näher auslässt, zeigt die Erklärung ihres Präsidenten, Josef Schuster, gegenüber der "Rhein-Neckar-Zeitung", dass er unter "Antisemitismus" noch etwas ganz Anderes versteht. In der RhNZ sagt er:  "Wer israelische Flaggen verbrennt, stellt das Existenzrecht Israels in Frage, lehnt es ab. Da stößt man an die Grenzen der Versammlungsfreiheit. Solche Ausschreitungen mit eindeutig antisemitischem Charakter sollten nicht genehmigungsfähig sein."

Nun ist es zweifellos so, dass man authentischer Antisemit sein und gleichzeitig israelische Flaggen verbrennen und das Existenzrecht Israels "in Frage stellen" kann, aber ebenso ist es zweifellos eine Tatsache, dass es dazwischen keine logische und empirische Zwangsläufigkeit gibt. Ein Teil der arabischen oder sonst woher stammenden Demonstranten in Berlin und anderswo haben zweifellos "antijüdische" Parolen gerufen, wobei ihr "Antijudaismus" wohl eher dem religiösen auch des vorbürgerlichen christlichen Europas als dem rassistischen verwandt ist, der seinen Höhepunkt im "Dritten Reich" gefunden hat. Dieser Antijudaismus ist eine durch die Kolonialisierung Palästinas durch – zunächst vornehmlich europäische – Juden aktualisierte und verstärkte reaktionäre Ideologie, die aus der sozio-ökonomischen und also kulturellen Unterentwicklung der Regionen, aus denen diese Leute stammen, und darüber hinaus aus dem Gefühl verletzter Ehre durch eben diesen Entwicklungs- und Machtrückfall gegenüber der abendländischen Welt, der ihre Vorfahren in der Zeit zwischen grob gesagt der 2. Hälfte des 7.Jahrhunderts und dem 13. Jh.  einst das Licht der Kultur gebracht hatten, erwachsen ist. Aber die Behauptung, dass die Infragestellung des Existenzrechts des siedlerkolonialen Staates "Israel" auf dem Boden der nichtjüdischen palästinensischen Bevölkerung, die dort seit fast 2000 Jahren die absolute Mehrheit stellt, "antisemitsch / antijüdisch" sei, impliziert, dass Jude zu sein identisch ist mit einer politischen Ideologie (hier dem des jüdischen Nationalismus des europäischen späten 19. Jahrhunderts. dem Zionismus). Das jedoch ist eine originär rassistische und folglich im konkreten Fall antisemitische Position. Sie ist nicht nur logisch, sondern auch empirisch falsch, gibt es doch unter denen auf dieser Welt, die sich aus religiösen oder sozialen Gründen als Juden definieren, eine riesige Zahl erklärter Nicht- oder gar militanter Anti-Zionisten, darunter auch in Israel selbst, unter ihnen ebenso ultraorthodoxe wie linke Juden. Aber selbst, wenn alle Juden der Welt Zionisten wären, müsste das auf das Trauma ihrer langandauernden Unterdrückung in welcher konkreten Form auch immer in nicht-jüdischer Umgebung zurückgeführt werden und nicht auf ihr Jude-Sein an und für sich. Der "Zentralrat der Juden" müsste deswegen richtiger "Zentralrat der zionistischen Juden" heißen. Und mehr noch als rassistisch zu verurteilen als diese Haltung des Zentralrats, die man immerhin noch mit dem erwähnten psychischen Trauma erklären, wenn auch nicht rechtfertigen könnte, ist die Haltung der nicht-jüdischen Zionisten, die ungefährdet in ihrer nicht-jüdischen Heimat lebend ihre aus den Untaten der Vorfahren erwachsenen Traumata auf Kosten der Palästinenser behandeln wollen - und dabei praktischerweise die geopolitischen und damit ökonomischen Interessen ihrer imperialistischen Länder, und damit ihren relativen Wohlstand, fördern.

 







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