Elsässers "Volksinitiative" stiftet Verwirrung unter Linken

24.01.09
AntifaschismusAntifaschismus, Debatte, Linksparteidebatte, TopNews 

 

So mancher nimmt die verbale Abgrenzung nach rechts für bare Münze. Andere verschließen vor den Tatsachen lieber die Augen. Dabei führt Elsässer seine bisherigen Querfrontaktivitäten nur konsequent weiter.

Von Edith Bartelmus-Scholich

Das "Neue Deutschland" hat sich wenige Tage nach der "Gründung der Volksinitiative gegen Finanzkapital" von Jürgen Elsässer getrennt. Man hat dabei die ideologischen Gräben benannt, die Links und Rechts trennen. Dies ist zu begrüßen.

Leider ziehen diese Konsequenz längst nicht alle Linken. Das Internetmagazin "Neue Rheinische Zeitung" aus Köln veröffentlich unkommentiert die Berichte der Volksinitiative, einschließlich der Ankündigung, dass Elsässer zur Ermittlung der AntifaschistInnen, die den verurteilten Holocaustgegner Gert Walther im Rahmen der Gründungsveranstaltung der "Volksinitiative" angegriffen hatten, auch mit Polizei und Staatsschutz zusammen arbeiten will.

Die Linksfraktion in Bremen will Jürgen Elsässer auch gegen innerparteilichen Widerstand am 30.1.09 eine Bühne bieten. In der Einladung heißt es lapidar: "Als Buchautor machte er durch v.a. außenpolitische Sachtitel von sich reden, die mit kaum einer linken Strömung nahtlos zu vereinbaren sind. Zuspruch erfährt sein streitbarer Antikapitalismus immer wieder auch von der falschen Seite. So ging sein jüngstes Projekt einer "Volksinitiative gegen das Finanzkapital" mit rechten Sympathiebekundungen einher, von denen sich Elsässer prompt und unmissverständlich distanziert hat."

Auch das globalisierungskritische Netzwerk Attac will an einem Auftritt Elsässers auf einem kapitalismuskritischen Kongress Anfang März in Berlin festhalten. Der Vorbereitungskreis für den Kongress um Sabine Leidig und Peter Wahl hält eine Ausladung für eine unverhältnismäßige Maßnahme: "Auf diese Weise kurzen Prozess zu machen, liefe auf die Ausgrenzung Elsässers aus dem demokratischen Spektrum und auf sein politisches Ende in der Linken hinaus. Ein existentieller Bruch für einen politischen Menschen. Auch wenn einige seiner Kritiker und Kritikerinnen vermutlich genau das wollen, es entspricht nicht unseren Vorstellungen einer emanzipatorischen politischen Kultur, so mit ihm umzugehen." Bemerkenswert ist hier, dass unter den UnterzeichnerInnen dieser Stellungnahme der Eine oder Andere ist, der selten Probleme damit hatte, sich an der Verhinderung von "zu linksradikalen" RednerInnen auf Demonstrationen zu beteiligen.

Schließlich gibt es noch die Variante, Elsässers "Volksinitiative" als Volksfrontansatz zu behandeln. In diesem Sinn schreibt Thies Gleiss, Mitglied im Vorstand der Linkspartei: "Die Internetzeitung Scharflinks bläht in der von ihr bekannten zweifelhaften journalistischen Effekthascherei einen Nebenaspekt in der neuen Positionierung von Jürgen Elsässer auf, der zwar hässlich ist und in gewisser Weise auch auf die Schwächen seiner Initiative hinweist, aber eben nur Nebensache ist und dessen marktschreierische Aufblähung von den hauptsächlich kritikwürdigen Aspekten der "Volksinitiative" ablenkt. Ich gehe davon aus, dass Jürgen Elsässer nicht bewusst die Zusammenführung von Neonazis der NPD und Freien Kameradschaften oder den autonomen Nationalisten mit der Linken propagiert und haben will. Dass er sie allerdings auch nicht vermeiden kann, wenn er, wie er selbst schreibt, ein Bündnis von "Gauweiler bis Lafontaine" schmieden will, ist offenkundig." Die für ihn hauptsächlich kritikwürdigen Aspekte benennt Thies wie folgt: "Die neue (ist sie das wirklich??) Orientierung von Jürgen E. ist ohne solch spekulative Unterstellungen politisch-inhaltlich zu kritisieren, weil sie - sofern zur Wirkung kommend - die LINKE und die Linke allgemein völlig desorientiert und zur Preisgabe ihrer Identität treibt. ... Die LINKE ist der Beginn - oder kann es sein, wenn sie nicht von innen und außen wieder zurückgedrängt oder liquidiert wird - der Wiedergründung einer politisch unabhängigen Klassenpartei der ArbeiterInnenklasse. Diese Unabhängigkeit von bürgerlichen Parteien und Ideologien, die von Marx, über das Kommunistische Manifest und Lenins parteitheoretischen Auslassungen bis zu Trotzkis und Ernest Mandels Beiträgen zum "Marxismus des subjektiven Faktors" immer wieder gefordert und in kritischer Abrechnung mit klassenübergreifenden "Volks"-Initiativen konkretisiert wurde, ist für die Existenz der LINKEN, ihr Attraktivität bei den Millionen von Menschen in Lohnabhängigkeit und ihre für allgemeine Handlungsfähigkeit von entscheidender Bedeutung.... Wie andere "Arbeiterparteien" ist auch die LINKE regelmäßig von Versuchen beeinflusst, diese Unabhängigkeit zugunsten klassenübergreifender Orientierung preiszugeben. Das reicht von diffusen "Dritte-Weg- Theorien" , die von randständigen Gruppen der Partei angepriesen werden , über platte Wahlkampfstrategien im Stil von "Die Wahlen werden in der Mitte gewonnen" bis zum "Neuen Gesellschaftsvertrag", wie ihn Gregor Gysi gerade der Fraktion im Bundestag aufschwatzen will. Jürgen E.s Projekt einer Volksinitiative gegen das Finanzkapital reiht sich darin nahtlos ein, zeichnet sich allerdings durch den bei Jürgen E. seit jetzt gut dreißig Jahren bekannten Hang zu Plattitüden und Billigparolen aus. Der Preis für solche kleinen und großen Volksfronten ist immer der Verzicht auf die gesellschaftlichen Verhältnisse wirklich grundlegend ändernde Positionen und Ziele."

Zunächst hat Thies  sicher Recht, dass die "Volksinitiative" von Jürgen Elsässer geeignet ist,  DIE LINKE und die Linke zu desorientieren. Opfer dieser Desorientierung ist offensichtlich Thies selbst geworden. Er ist nicht in der Lage Volksfront von Querfront zu unterscheiden - und weil das so ist, reiht er die "Volksinitiative" von Jürgen Elsässer als Volksfront-Ansatz undifferenziert ein in die unterschiedlichsten Versuche in der Partei DIE LINKE, sich in das System zu integrieren. Ähnliche Schwierigkeiten mit Elsässers Ansatz haben offenbar auch andere Mitglieder der Partei DIE LINKE und Teile von Attac.

Es ist aber falsch und politisch verhängnisvoll, Elässers Initiative als Volksfront oder als eine Spielart des Standortkorporatismus einzuordnen; denn dies erlaubt Elsässer weiterhin sich und seine Ideen als links zu verkaufen. Elsässers Ideen und "Volksinitiative" unter die diversen Ansätze zu subsumieren, die "Regierungssozialisten" und Sozialdemokraten  zur Integration in das System vorschlagen, blendet den Charakter seiner Vorstöße aus. Das klassenübergreifende Bündnis, das Elsässer vorschlägt, bewegt sich nicht nur im nationalen Rahmen - wie das auch bei manchen Vorschlägen von Lafontaine anzutreffen ist - sondern auch in nationalistischen Diskursen. Sein Hoffnungsträger und  historischer Akteur ist nicht das Proletariat, sondern die Nation. Das von ihm vorgeschlagene Bündnis bezieht nicht nur den Mittelstand, sondern auch das "produktive alt-europäische Industriekapital" mit ein. Den Klassenkampf bezeichnet er als "sektiererisch". Das alles ist nicht links, sondern ultrarechts. Seine angebliche Analyse reproduziert die Fiktion von der Volksgemeinschaft und die Unterscheidung von "raffendem und schaffendem Kapital".

Bereits seit einigen Jahren bricht Elsässer sprachliche Tabus, indem er die Wortschöpfungen der Ultrarechten übernimmt. Beispielhaft sei das Wort "globalistisch" genannt, welches außer bei Elsässer in der Politik nur in Nazikreisen verwendet wird. Die Verwendung der Worte folgt dabei der Übernahme von Analysen und Konzepten der Nazis. Elsässer teilt mit ihnen die Unterscheidung von gefährlichem Finanzkapital und nützlichem Industriekapital und die Orientierung auf ein eurasisches Bündnis zur Schaffung einer "eurasischen Wohlstandszone" gegen den amerikanischen Imperialismus. Er hat sich in der Vergangenheit u.a. dafür ausgesprochen, Zuwanderung zu beenden und Menschen mit abweichenden Lebensentwürfen, z.B. Homosexuelle gegen den "normalen" Menschen in Konkurrenz gesetzt. "Mit Staatsknete wird Multikulti, Gendermainstreaming und die schwule Subkultur gefördert, während die Proleten auf Hartz IV gesetzt werden." , schrieb er in Junge Welt vom 9. November 2006.  Er befürwortete die Einbeziehung einer faschistischen Partei in die Regierung der Slowakei und warf dabei zugleich die Frage auf, ob der Antifaschismus oder die Erreichbarkeit sozialpolitischer Ziele für eine solche Entscheidung wichtiger sein sollten. In seinem Sprechen und Denken hat Elsässer die Querfront schon lange realisiert. Beifall erhält er dafür seit Jahren von der NPD und der Nazi-Presse.

Mit seinen Positionen korrespondiert eine sichtbare Zusammenarbeit mit dem ultrarechten Spektrum - einzig Kontakte zu Parteien waren bisher davon ausgenommen. Seine Distanzierungen von der NPD klingen allerdings nicht anders als die von Pro Köln oder von der Jungen Freiheit. Elsässer hat in den vergangenen Jahren u.a. nicht nur vor der strammrechten  "Preußischen Gesellschaft Berlin-Brandenburg e.V." gesprochen. Er trat auch auf dem Kongress  "Mut zur Ethik" und im Rahmen von Veranstaltungen des Vereins "Freie Bürger für freie Demokratie" auf. Diese Zusammenhänge werden als Nachfolgeorganisationen der aufgelösten rechten Psychosekte VPM angesehen. Übrig geblieben nach der VPM - Auflösung ist die Schweizer Wochenzeitung "Zeit-Fragen - Wochenzeitung für freie Meinungsbildung, Ethik und Verantwortung". Für dieses Blatt, welches einem mit der Jungen Freiheit vergleichbaren Konzept folgt, schreibt Elsässer seit 2006 regelmäßig. Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass Elsässer seit Jahren persönlich die Querfront praktiziert.

Seine Gründung der "Volksinitiative gegen das Finanzkapital" ist somit der Schritt, seine Querfrontaktivitäten auf eine organisatorische Basis zu stellen, nachdem er einige Jahre seine Ziele auf der diskursiven Ebene und durch versuchte Einflussnahme auf das Spitzenpersonal der Partei DIE LINKE verfolgt hat. Seine Enttäuschung, dass die Partei DIE LINKE seine Ideen nicht übernimmt, hat ihn zur Gründung der "Volksinitiative" bewegt.  Er ummantelt im Aufruf zur Gründung der "Volksinitiative" das ultrarechte Gedankengut mit linken Sprachhülsen, und bricht damit in politische Milieus ein, die Nazis nicht erreichen können.  Er verknüpft die ultrarechten Ideen mit  der unrealistischen Erwartungshaltung auf restaurative, im nationalen Rahmen darstellbare Lösungen vieler zynisch als Modernisierungsverlierer bezeichneter Menschen. Wenn Elsässers Ansatz aufgeht, wird seine Bewegung ein Durchlauferhitzer nach Ultrarechts.

Elsässers Ansatz ist  weder links, noch antikapitalistisch. Er ist als Querfront einzuordnen und nicht als Volksfront - es sei denn jemand stuft das Milieu und die Ideologie von NPD und Nouvelle Droite als bürgerlich ein. Die Übernahme von Konzepten der Nazis ist nicht als Nebenaspekt und "hässlich", sondern als Kern der "Volksinitiative" zu behandeln. Keinesfalls ist Elsässers Initiative in eine Reihe mit im Rahmen des Nationalstaats verbleibenden Vorstellungen von "Regierungssozialisten" oder Sozialdemokraten in der Partei DIE LINKE zu stellen, so kritikwürdig diese auch sind. Vielmehr ist es geboten mit diesen GenossInnen gemeinsam der "Volksinitiative" entgegen zu treten.

Edith Bartelmus-Scholich, 24.1.09



Ein paar Gegenthesen zu Elsässers Auffassungen, wie sie in DR.SELTSAMS WOCHENSCHAU am 1.2.2009 von Dr. Seltsam und dem Ökonomen Sergej Goryanoff diskutiert wurden - 27-02-09 21:05




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