Neuerscheinungen Kunst und Krimi

18.02.23
KulturKultur, TopNews 

 

Buchtipps von Michael Lausberg

Buch 1

Olga Costa. Dialoge mit der mexikanischen Moderne, Hirmer, München 2022, ISBN: 978-3-7774-4078-1, 39,90 EURO (D)

In ihrer Wahlheimat Mexiko ist die gebürtige Leipzigerin Olga Costa (1913–1993) längst als eine der wichtigsten und populärsten Protagonistinnen der mexikanischen Moderne bekannt. Das Museum der bildenden Künste Leipzig widmet ihr nun eine große Ausstellung in ihrer Geburtsstadt, die vom 1.12.2022 bis zum 26.3.2023 zu sehen sein wird.

Ihr vielschichtiges Œuvre umfasst vor allem Malerei, aber auch Zeichnungen und druckgrafische Werke sowie Tapisserien und eine in Mosaik ausgeführte Wandgestaltung. Die Ausstellung bietet Gelegenheit, Costas Schaffen in dieser medialen Bandbreite sowie im Kontext mit anderen mexikanischen Künstlerinnen und Künstlern kennenzulernen.

Die Ausstellung im MdbK zeichnet das Schaffen von Olga Costa über einen Zeitraum von mehr als vierzig Jahren nach und verortet es zugleich in seinem zeitgenössischen mexikanischen Kontext. Als Auftakt begegnen wir in einem frühen Selbstbildnis der selbstbewussten Malerin im Patio ihres Hauses. Es folgt eine prägnante Auswahl von Costas Werken aus allen Schaffensphasen. Im Zentrum steht die großformatige Auftragsarbeit La vendedora de frutas (Die Obstverkäuferin) von 1951, eine Ikone der mexikanischen Moderne. Gewissermaßen als Rückschau widmet sich die anschließende Sektion den Voraussetzungen von Costas Werk und skizziert die künstlerische Situation bei ihrer Ankunft im postrevolutionären Mexiko. Frida Kahlo, Diego Rivera und Gerardo Murillo (auch genannt Dr. Atl) sind hier ebenso vertreten wie Costas akademischer Lehrer Carlos Mérida und ihr Ehemann José Chávez Morado. Weitere Kapitel kreisen um inhaltliche Fragen nach der mexikanischen Identität (Mexicanidad), geschlechterspezifischen Rollen- und Körperbildern und Netzwerken mexikanischer Künstlerinnen. Die Auseinandersetzung Costas mit der fantastischen Malerei ist ebenso ein Schwerpunkt der Ausstellung wie die Landschaftsauffassung und ihr poetisches Naturverständnis. In ihren Stillleben inszeniert Costa zuweilen auch Objekte indigener Kultur, die sie gemeinsam mit ihrem Mann zusammengetragen hatte, wodurch auch die Rolle der Künstlerin als Sammlerin angedeutet ist.

Immer wieder treten Costas Werke in Dialog mit Arbeiten ihrer Zeitgenossinnen und Zeitgenossen, darunter Frida Kahlo, Diego Rivera, María Izquierdo, Rosa Rolanda, Lola Cueto, Alice Rahon, Juan Soriano und anderen. Neben Gemälden sind Fotografien, Textilarbeiten, Handzeichnungen und Druckgrafiken zu sehen. Insgesamt ergibt sich hierdurch auch ein Panorama der mexikanischen Kunst zur Mitte des 20. Jahrhunderts.

Auf nahezu der gesamten Fläche im Untergeschoss des MdbK führt die Ausstellung rund 80 Leihgaben zusammen, u. a. aus dem Museo de Arte Moderno in Mexiko-Stadt, dem Museo de Arte Olga Costa – José Chávez Morado in Guanajuato, dem National Museum of Mexican Art in Chicago sowie aus internationalen Privatsammlungen. Hinzu kommen 14 Werke aus dem eigenem Bestand des MdbK, darunter ein bedeutendes, bislang wenig beachtetes Konvolut von Grafiken des einflussreichen Taller de Gráfica Popular (Werkstatt der Volksgrafiker, TGP). Hierbei handelt es sich um ein aktivistisches Künstlerkollektiv aus Mexiko-Stadt, dessen Mitglieder über das leichter zu verbreitende Medium der Druckgrafik auf soziale und politische Probleme ihres Landes aufmerksam machten. Diese Blätter bezeugen auch das frühe und anhaltende Interesse an der mexikanischen Moderne in Leipzig.

Die Ausstellung ist eine Kooperation mit dem Instituto Estatal de la Cultura de Guanajuato und dem Instituto Nacional de Bellas Artes y Literatura (INBAL) in Mexiko und wurde unter Einbeziehung eines wissenschaftlichen Beirates, dem Expertinnen und Experten aus Mexiko angehören, konzipiert.

Dies ist die offizielle Publikation zur Ausstellung.

Diese beginnt mit einem grundlegenden Text von Stefan Weppelmann über Olga Costa und ihren Weg zur Malerei. Danach werden in einer längeren Sequenz Werke in der Ausstellung gezeigt.

Anschließend beschäftigt sich Brenda J. Caro Cocotio mit Costas bekanntestem Werk „Die Obstverkäuferin“. Davon ausgehend werden Anmerkungen zu den Narrativen der Moderne gemacht, geprägt durch die Politik und ihre Institutionen, sowie zur Relevanz aktueller Annäherungen an Costas Werke.

Danach wagt Dina Comisarenco Mirkin eine Neuinterpretation der Malerei von Olga Costa. Nicht die sonst geläufige kompositorische Qualität und die reiche Farbpalette stehen im Vordergrund, sondern thematische Aspekte wie das Schaffen eines kritischen Bewusstseins für die soziale Situation von mexikanischen Frauen und der Dialog mit der europäischen und mexikanischen Kunsttradition.

Mit Olga Costa als Sammlerin beschäftigt sich dann Daniel Garza Usabiaga. Zusammen mit ihrem Ehemann wurden die beiden zu weithin bekannten Sammlern prähispanischer Kunst, Antiquitäten des 18. und 19. Jahrhunderts, religiösen Gemälden, nicht-akademischer Porträtkunst, sowie traditionellen Formen der indigenen Kunst.

Weiterhin werden weitere in der Ausstellung zu sehende Werke gezeigt.

Danach legt Arturo Lopez Rodriguez einige Zeugnisse von Menschen vor, die Olga Costa bereits in den 1960er Jahren in Guanajuato kannten und in ihrem Umfeld lebten. Sabine Hoffmann stellt danach die Stationen ihres Lebens von ihrer Geburtsstadt Leipzig bis nach Guanajuato vor. Aurelia Rager präsentiert dann die Taller de Gráfica Popular (Werkstatt der Volksgrafiker, TGP) im MdbK.

Eine Sammlung der mexikanischen Grafik im MdbK folgt noch.

Im Anhang werden noch die Autor*innen vorgestellt, außerdem gibt es eine Literaturliste und den Bildnachweis.

Ja, es gibt auch prominente mexikanische Kunst jenseits von Frida Kahlo. Es ist zugleich das erste Mal überhaupt, dass Costas Werk in Europa monografisch zugänglich wird. Von daher hat auch die informative Publikation ein Alleinstellungsmerkmal. Der Vorteil ist, dass eine fruchtbare Zusammenarbeit zwischen mexikanische und hiesigen Expert*innen gegeben hat. Es gibt zum Teil auch verschiedene Ansätze der Interpretation innerhalb der Expert*innen, spannend ist dabei der Beitrag von Dina Comisarenco Mirkin.

 

Buch 2

Magie Bergkristall, Hirmer, München 2022, ISBN: 978-3-7774-4053-8, 55 EURO (D)

Edle Steine faszinieren Menschen seit jeher. Das Kölner Museum Schnütgen widmet dem wasserklaren Bergkristall eine Ausstellung mit rund 130 Objekten aus internationalen Sammlungen, die vom 26.11.2022 bis zum 19.3.2023 zu sehen ist. Ausgang hierfür sind die qualitätvollen Bergkristallobjekte der eigenen Sammlung und der bis dato einzigartige Fund einer Bergkristallschleiferei des 12. Jahrhunderts in der Nähe des Kölner Domes.

Dies ist die offizielle Begleitpublikation zur Ausstellung. Hier werden hier erstmals Werke aus Bergkristall von der Antike bis zum ausgehenden Mittelalter vorgestellt. Die Bandbreite reicht von Gefäßen für Heiliges und Profanes über Kreuze, Schachspiele, Amulette, Kühlkugeln bis zu Amtszeichen und Lupen. Die Facetten des Materials Bergkristall, seine Bearbeitung, Verwendung und symbolische Ausdeutung wird dabei nicht allein aus kunsthistorischer Perspektive, vielmehr unter Einbeziehung der Mineralogie, Archäologie, Geologie, Philologie und Optik beleuchtet. Neben Köln wird Venedig als ein besonders produktives Zentrum der Bergkristallbearbeitung im Hochmittelalter vorgestellt.

Von den zahlreichen im Buch behandelten und abgebildeten Werken sind rund 130 in der Ausstellung zu sehen.

Nach einem Vorwort stellen zwei Beiträge die Facetten des Bergkristalls und Gotteserfahrung im Bild und Material vor.

Danach folgen Themenschwerpunkte, die aus Essays von verschiedenen Autor*innen und dazugehörigem Bildmaterial bestehen. Zunächst wird unter dem Kapitel „Vom Mineral zum Artefakt“ die Mineralogie des Bergkristalls, Bergkristall als Handelsware, dessen Bearbeitung, die Kölner Bergkristallwerkstatt, das Freiberger Rapskreuz, romanische und gotische Bergkristallarbeiten in Kölner Kirchen, die Bergkristallbearbeitung in Venedig, das Erfurter Kristallkreuz, der Bergkristallschnitt im mediterranen Kulturtransfer, die Bergkristallgefäße am Aachener Heinrichsambo und das Hedwigskreuz.

Danach geht es um die Wiederentdeckung und Aneignung der Antike. Schwerpunkte sind Bergkristall in der griechischen und römischen Antike, Bergkristall in mittelalterlichen Quellen, die Figur des Löwen im einem Bestiarum aus Bergkristall im heutigen Frankreich, wiederverwendete Bergkristallobjekte, das Halberstädter Tafelreliquiar und Bergkristall aus der Zeit der Merowinger und der Karolinger.

Bergkristalle als Manifestation von Kraft und Schönheit bilden den nächsten thematischen Schwerpunkt. Dort werden christologische Bezüge bei der Verwendung von Bergkristall, das Essener Kreuznagelreliquiar, Bergkristall an Reliquiarien und Ostensorien, transzendente Deutungen, Bergkristalle an mittelalterlichen Skulpturen und Bergkristallobjekte in der Malerei des 16. und 17. Jahrhunderts, Bergkristallobjekte als Insignien von Amt und Status, Bergkristall im Halleschen Heiltum des Kardinals Albrecht von Brandenburg, der monolithe Henkelkrug in Wien und Bergkristall an der höfischen Tafel beleuchtet.

Der letzte Themenschwerpunkt behandelt die Sinne des Sehens und Berührens. Bergkristall als optisches Hilfsmittel, das Lüneburger Bürgereidkristall und Körpernähe und Magie werden dort behandelt.

Im Anhang gibt es noch die Anmerkungen zu den Texten, ein Auswahlverzeichnis der in der Ausstellung gezeigten und in der Publikation abgebildeten Bergkristallobjekte, ein umfangreiches Literaturverzeichnis und die Bildnachweise.

Dies ist eine sehr ausführliche inhaltliche Präsentation des Bergkristalls und seiner Symbolik im Mittelalter und teilweise der Antike. Das Zusammenspiel mit den Abbildungen funktioniert gut, wobei das Buch mehr Wert auf Hintergrundwissen legt. Die Faszination des facettenreichen Stein in früheren Jahrhunderten wird auf jeden Fall sehr deutlich. Der Anhang ist – wahrscheinlich aus Platzgründen – in einer kleineren Schrift abgedruckt, die aber zum Teil schwer zu lesen ist.

Wer noch mehr erfahren will, speziell mit Kölner Bezug, sei folgendes Werk empfohlen: Anton Legner: Faszination Bergkristall, Greven Verlag, Köln 2021, ISBN: 978-3-7743-0934-0, 34 EURO (D)


Buch 3

Volker Klüpfer/Michael Kobr: Die Unverbesserlichen – Der große Coup des Monsieur Lipaire. Die Unverbesserlichen Band 1, Ullstein, Berlin 2022, ISBN: 978-3-550-20144-8, 24,99 EURO (D)

Nach dem Erfolg mit Kult-Kommissar Kluftinger gibt es eine neue Reihe aus der Feder von Volker Klüpfer und Michael Kobr. Sie verlegen ihre Mittelpunkt aus der beschaulichen bayerischen Provinz ans französische Mittelmeer. Der Auftaktband der schrägen Gaunerkomödie an der Côte d‘Azur spielt in dem real existierenden Küstenstädtchen Port Grimaud, dem Klein Venedig der Provence.

Guillaume Lipaire war früher Apotheker in Deutschland, den das leichte und mondäne Leben an der Côte d‘Azur magisch angezogen hat. Er hat sich quasi eine neue Identität gegeben und seinen altbackenen deutschen Namen Wilhelm Liebherr in den exklusiveren Guillaume Lipaire eingetauscht. Genauso wie beim Namen nimmt er es bei der Finanzierung seines Lebensunterhaltes mit dem Gesetz nicht so genau. Er verdingt sich als eine Art Hausmeister und Aufpasser für eine exklusive Eigentümergemeinschaft, um deren Ferienhäuser bei Abwesenheit instand zu halten. Nebenbei vermietet er diese unter der Hand und kassiert noch ein schmales Zubrot. illegalen Vermietung ein bisschen Geld dazu.

Als sich kurzfristig die adeligen Familie Vicomtes ankündigt, muss er noch die Spuren der früheren illegalen Vermietung beseitigen. hat er ein kleines Problem. Als im ersten Stock noch eine Leiche auftaucht, will er dies nutzen, um endlich an viel Geld zu kommen. Zunächst gegen seinen Willen versammelt sich ein ungewöhnliches Team um ihn, das ihm dabei helfen soll. Sein Sohnersatz Karim Petitbon, die Tochter des Bürgermeisters und Eisverkäuferin Jacqueline, der frühere belgische Fremdenlegionär Paul Quernot, die Ladenbesitzerin Delphine und die betagtere Lebedame Lizzy samt ihrem Hund Louis. Zusammen sind sie die Unverbesserlichen von der Côte d'Azur.

Hier werden also die einzelnen Mitglieder der Unverbesserlichen, die die adeligen Geldsäcke herausfordern, vorgestellt. Wie bei den Kluftinger-Krimis gibt es eigenwillige, authentische, mit ihren Fehlern liebenswürdige Charaktere, die Charme und Witz ausstrahlen. Sie strahlen alle eine etwas naive, mediterrane Leichtigkeit aus und haben alle ihre Macken und Launen.

Die malerische Atmosphäre in Port Grimaud wird zwar detailliert beschrieben, so dass Urlaubsfeeling aufkommt, ist aber an einigen Stellen zu langatmig.

Die Handlung selbst ist spannend und nach Art einer Schatzsuche gemacht, so dass der Start der Kriminalkomödie gelungen ist.

 

Buch 4

Judith Siegmund (Hrsg.): Handbuch Kunstphilosophie, transcript, Bielefeld 2022, ISBN: 978-3-8252-5841-2, 39 EURO (D)

Debatten der Kunstphilosophie haben sich im deutschsprachigen Kontext in den letzten Jahren enorm entwickelt. Sie überschreiten die Fachgrenzen der philosophischen Ästhetik und wirken in politische Philosophie, Kunst- und Kulturwissenschaft, Theater-, Medien- und Musikwissenschaft hinein. Zugleich partizipieren sie an den kunstnahen Diskursen im Umfeld verschiedener künstlerischer Praktiken und bringen so den Gestus der Selbstreflexion und Selbstverständigung in den universitären Disziplinen wieder zur Geltung.

Dieses Handbuch bildet Grundpositionen kunstphilosophischen Denkens anhand einer systematisch geordneten Vielzahl von Stichworten ab und wirft so ein Schlaglicht auf die Theoriegeschichte ebenso wie auf aktuelle Positionen und Dialoge.

In der Einführung beschäftigt sich die Herausgeberin mit dem Inhalt und der Bedeutung des Begriffs Kunstphilosophie und zeigt, in welchem Verhältnis Kunst und Philosophie zueinander stehen.

Danach gibt es vier thematische Bereiche, worin verschiedene Stichwörter von verschiedenen Autoren behandelt werden. Im ersten Bereich Kunsthandeln geht es unter anderem um Kunst als Praxis/Praxologie der Kunst, Mimesis, künstlerische Improvisation und Artistic Research/Künstlerische Forschung. Der zweite Bereich behandelt das Thema Kunstwerk/Aufführung, wo es zum Beispiel um Form, Gehalt, Visual Culture Studies oder Kopie geht.

Im dritten Bereich dreht sich alles um Rezeption/Interpretation. Schwerpunkte sind dort Schönheit, Affekte, Fiktion, Sehen, Hören, Kritik und besonders spannend Kunst(philosophie) und (post)koloniale Kritik.

Der Zusammenhang zwischen Künste und Gesellschaft wird dann in verschiedenen Feldern wie Politik, Moral, Ökonomie, Digitalität, Zeit, Entgrenzung beleuchtet. Außerdem werden Funktionen von Künsten, Autonomie der Kunst, Zweck, Utopie behandelt. Identität bzw. Identitäten kommen leider nicht explizit vor.

Im Anhang gibt es noch ein Personenregister und die Biografien der Mitwirkenden.

Am Ende der Beiträge gibt es immer ein Literaturverzeichnis mit benutzter und auch weiterführenden Literatur.

Dies ist eines der wenigen größeren Werke dieser Disziplin. Hier steht der aktuelle Fachdiskurs in der BRD im Mittelpunkt, manchmal werden internationale Zusammenhänge einbezogen. Forschungsinhalte, Kontroversen und Positionen nehmen neben den inhaltlichen Darstellungen einen wesentlichen Raum ein. Der Aufbau der Artikel ist systematisch und wird ein fundierter Überblick auch zu aktuellen Themen gegeben. Fragen der künftigen Perspektiven der oder Desiderata der Kunstphilosophie in einem zusammenhängenden Artikel fehlen leider.

Aber: In diesem Handbuch für Studenten, Lehrende und Praktiker im Bereich Philosophie, Kunst, aber auch für solche im Kulturbereich und werden die Grundlagen in Theorie und Praxis verständlich und auf hohem Niveau dargelegt.

 

Buch 5

Iben Albinus: Damaskus. Thriller, Hoffmann und Campe, Hamburg 2022, ISBN: 978-3-455-01484-6 24 EURO (D)


Im Frühling 2011 reist die dänische Menschenrechtsaktivistin Sigrid Melin nach Damaskus, um sich in dem krisengebeutelten Land für Demokratie und Frieden zu engagieren. Es ist die Zeit des Arabischen Frühlings, eine historische Zäsur in der Region mit weitreichenden Folgen in politischer, wirtschaftlicher und geostrategischer Hinsicht, was sich gegen autokratische Systeme richtete. Die Hoffnung auf mehr Demokratie, Selbstbestimmung und Verbesserung der sozialen Ungleichheit waren untrennbar damit verbunden.

Melin leidet an einer Posttraumatischen Belastungsstörung, die das Leben dauerhaft beeinträchtigen kann: Betroffene erleben in Gedanken und Träumen das Grauen immer wieder. Sie ziehen sich zurück, vermeiden Erinnerungen, sind gereizt und in ständiger Alarmbereitschaft. Daraus macht sie aber ein Geheimnis.

Dort trifft sie Reem, eine alte Studienfreundin aus Melins Zeit in Kopenhagen, die in Syrien lebt und eine Sicherheitsfirma betreibt. Melin hatte lange Zeit keinen Kontakt zu ihr. Sie glaubt zuerst, dass Reem zu den Gegnern al-Assads zählt, was sich mit der Zeit als Trugschluss erweist.

Es dauert auch nicht lange, bis Melin mitten im Geschehen angekommen ist und Teil der schrecklichen Ereignisse wird, die die Willkürherrschaft von al-Asssad und seines Regimes begleiten. Nach Bedrohungen ist sie ihres Lebens nicht mehr sicher. Das Buch entwickelt sich dadurch zum Thriller, der Spannung garantiert. Es wird die gesamte Palette der Unterdrückungsmaßnahmen ersichtlich, die auch in Wirklichkeit so nachgewiesen sind. Staatsterror mit Entführungen, Anschläge auf Oppositionelle, Folterungen in Gefängnissen und politischen Morden.

In Verbindung mit Reem und ihrer Familie, die sich doch gegen den Diktator stellen, erlebt Melin dies am eigenen Leib.

Neben der Spannung werden immer politische Strukturen, Machtverhältnisse und Zeitgeschichte eingebunden. Man merkt, dass die Autorin detailliert recherchiert hat. Dadurch gewinnt der Leser einen Eindruck von der schrecklichen Situation in Syrien, vor allem des Terrors gegen die eigene Bevölkerung und Oppositionelle.

Dieses Buch zeigt Gründe für die weitgehend gescheiterten Hoffnungen, die mit dem Arabischen Frühling hier am Beispiel Syrien verbunden waren.

Sicherlich ein spannendes und packendes Buch, das aber sich nicht scheut, die Gewalt, Tod und den alltäglichen Horror originalgetreu zu schildern.


Buch 6

Andreas Föhr: Herzschuss, Knaur, München 2022, ISBN: 978-3-426-22670-4, 16,99 EURO (D)

Dies ist der 10. Krimi mit dem bekannten Ermittlerduo Wallner & Kreuther von der Polizeiinspektion Miesbach.

Das Duo bekommt eine neue Chefin, Karla Tiedemann. Die erste unfreiwillige Begegnung mit ihrem neuen Team sorgt schon für Chaos und schlechte Stimmung. Auf dem Weg hin zu ihrem neuen Arbeitsort wird sie zum Opfer des übereifrigen Kreuthner. Der ist an diesem Tag für die Verkehrsüberwachung zuständig und da Karla Tiedemann zu schnell fährt, muss sie sich von ihm eine Moralpredigt anhören und als Verkehrssünderin verantworten.

Ein Ortswechsel wird dann vollzogen, zu Clemens Wallner und seiner Kollegin Tina, die gerade Skiurlaub machen. Aber selbst im Urlaub wird er das Verbrechen nicht los. Ein mysteriöser Mann steckt Wallner einen Zettel zu, auf dem geografische Koordinaten zu finden sind. Die beiden wollen dem nachgehen und fahren dorthin, eine verlassene menschenleere Gegend. In einem unfertigen Hotel finden sie dann tatsächlich eine Leiche.

Wallner wird auch mit dem Fall betraut, steckt aber in einer Zwickmühle. Dies liegt in der ferneren Vergangenheit begründet. Der Tote Philipp Gansel war ein hohes Tier als Abgeordneter im Bayerischen Landtag.

Und ein ausgewiesenes Hassobjekt von Kreuthner. Rückblicke in die Vergangenheit zeigen die beiden als Konkurrenten um dieselbe Frau, die Gansel schließlich heiratete. Kreuthner drohte damit, dass er das bereuen würde. Dies ging nach hinten los, jetzt wird er als möglicher Täter ausgemacht. Wallner ist von dessen Unschuld überzeugt, muss jedoch schnell den wahren Täter finden, denn der Mord beschäftigt inzwischen den Landtag und auch die Presse macht Druck, genauso wie die neue Chefin.

Obwohl die Story aus verschiedenen Perspektiven erzählt wird, sorgt das nicht für Verwirrung. Die eigenen, aber sympathischen Charaktere der Ermittler werden wie immer gut beschrieben und herausgestellt. Zusätzlich gibt es – wie für einen Regionalkrimi typisch – viele lustige Dialoge in bayrischer Mundart. Auch der Fall ist spannend gestaltet und enthält einige Wendungen bis zum Plot.








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